Gebrüder-Grimm-Lauf -10.06.-12.06.2022-

Brüder Grimm Lauf 2022 oder Rothemdchen und die 5 Etappen

Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause wollten wir unbedingt noch einmal das Märchenbuch des Brüder Grimm Laufs aufschlagen. Märchen erzählen von Wünschen und Sehnsüchten, Missgunst, aber auch von Freundschaften. Die Kapitel beim Brüder Grimm Lauf handeln vom gejagten Mädchen mit der roten Kappe, einer bösen Königin, von sieben kleinwüchsigen Männlein, einer alten Dame, die es schneien lassen könnte und einem Geschwisterpaar, welches sich trotz bester Markierungen im (hessischen…?) Wald verläuft.

Mittendrin im Geschehen thronen die Gebrüder Grimm, Jacob und Wilhelm, die in Hanau geboren sind und einen Teil ihrer Kindheit dort verbrachten. In Hanau, am Neustädter Markt beginnt die Deutsche Märchenstraße, die auch uns in den nächsten drei Tagen nach Steinau an der Straße, unserem Zielort führen soll. Die Märchenstraße verläuft jedoch noch weiter über Kassel, Göttingen bis nach Bremen. Der Marktplatz in Hanau mit dem imposanten Denkmal von Jacob und Wilhelm ist somit der ideale Startpunkt zur ersten Etappe.

Freitag, 17:30: Start der 1. Etappe „Rotkäppchen“

Sie hat begonnen, die Geschichte des Brüder Grimm Laufs. Vor uns liegen 16 km auf der ersten Etappe. Von nun an heißt es, in zweieinhalb Tagen auf fünf Etappen von Hanau nach Steinau zu laufen. Die kürzeste Etappe beträgt 14, die längste 18 km. Wer einmal dabei war, kommt meistens wieder. So ist das auch nach der Corona-Pause festzustellen und so sind viele „Wiederholungstäter“ unterwegs. Und wie immer zum Brüder Grimm Lauf sind die Temperaturen auch voll auf Sommer eingestellt, so dass der Lauf direkt schon zur schweißtreibenden Angelegenheit wird. Aber wie auf Rotkäppchen's Weg durch den Wald zur Großmutter führt uns Läufer der Weg oft durch schattigen Wald, in dem es sich sehr angenehm laufen lässt. Bleibt nur die bange Frage, wo sich der böse Wolf versteckt hält? Dieser traut sich aber angesichts der ca. 350 Läufer nicht hinter seinem Baum hervor, so dass alle unbeschadet das Ziel, die Bulauhalle in Niederrodenbach erreichen. Der erste Läufer erreicht das Etappenziel in etwas unter einer Stunde. Andere haben sich bei der Großmutter oder an den Verpflegungsständen wohl etwas länger aufgehalten und brauchen etwas mehr Zeit. Aber wie auch immer, wer das Ziel erreicht, der darf und wird morgen bestimmt wieder starten.

In der Bulau-Halle liegen unsere Taschen schon bereit und die Halle wird von den Läufern in Besitz genommen. Rasch sucht jeder für sich den besten Platz zum Übernachten. Die beiden Rothemdchen Stephan und Michaela haben als Nachtunterkunft ein kleines Zelt dabei, um den schnarchenden Zeitgenossen in der Halle zu entkommen. Duschen, essen und erholen sind nun die nächsten Disziplinen, die anstehen. Die Sonne geht unter und es wird kühl. Zeit, sich mit einer kleinen Gute-Nachtgeschichte ins Zelt zu verkriechen.

Samstag, 9:30: Start der 2. Etappe „Dornröschen“

Recht früh schon am Morgen krabbeln die Läufer aus ihren Schlafsäcken, die üblichen Morgenrituale und Wettkampfvorbereitungen fangen an, die letzten Isomatten werden verstaut und das Gepäck wird zu den Gepäcktransportern gebracht, damit es im nächsten Etappenziel schon wieder für die Läufer bereit gelegt werden kann.

Der Startschuss fällt und schon sind wir wieder unterwegs. 14 km liegen nun vor uns. Auf einem Radweg führt uns der Weg in den kleinen Ortsteil Oberrodenbach. Aus dem Talkessel heraus laufen wir über einige Hügel und gelangen an den ersten größeren Anstieg des Tages. 1,5 Kilometer beträgt der Anstieg zum Hochpunkt dieser Etappe. Oben angelangt wird man aber mit einer wunderbaren Sicht auf die vor uns liegende Landschaft und das nahende Ziel belohnt. Der Zieleinlauf befindet sich in Neuenhaßlau. Im Ziel wurde wahrscheinlich Dornröschen schon vom ersten Läufer des Tages wachgeküsst, auf uns warten aber immerhin noch jede Menge Bananen und Getränke. Die erste Etappe des heutigen Tages ist geschafft. Viele Läufer nutzen die Pause zum Duschen und Entspannen. Die Laufkleidung wird zum Trocknen aufgehängt, die Isomatten werden ins Gras gelegt und bald schon startet der Kampf um die besten Schattenplätze. Ansonsten erinnert die Szenerie eher an einen schönen Sommertag im Grünen. Die Auswahl am Mittagsbuffet mit Suppe, Würstchen und jeder Menge Kuchen lädt auch zum ausführlichen Verweilen ein und mancher Läufer muss aufpassen, dass er sich nicht mit Wackersteinen im Magen zum zweiten Start des Tages schleppen muss.

Samstag, 16:30: Start der 3. Etappe „Schneewittchen“

Unruhe macht sich im Verweillager breit, es riecht nach Massageöl und die Schlangen vor den Toiletten werden lang und länger. Nicht mehr lange und es geht auf die 17 Kilometer lange „Schneewittchen“-Etappe. Sieben kleine Männlein studieren die Ergebnisliste und fragen sich, wer heute der oder die Schnellste im ganzen Land sein wird. Die Strecke führt dieses Mal durch das südosthessische Kinzigtal. Vor uns Läufern liegen 17 km durch die Sommerhitze und so mancher Höhenmeter muss dabei noch überwunden werden. Der ein oder andere Läufer muss daher auch schon den bereits hinter ihm liegenden Strapazen Tribut zollen und lässt es langsamer angehen. Die zahlreichen Verpflegungsstände werden dankbar angesteuert und die angebotenen Schwämme ins Wasser getaucht, um sich zusätzlich zu kühlen. Vergiftete Äpfel, um sich einem lästigen Altersklassenkonkurrenten zu entledigen, wurden nicht gesichtet und so konnten alle Läufer wohlbehalten das Etappenziel in Gelnhausen erreichen. Auch Schneewittchen und die beiden Rothemdchen Stephan und Michaela sind im Ziel und von ihren Leiden des Laufs erlöst. Pendelbusbenutzer, Turnhallen- und Heimschläfer gehen ihrer Wege und rüsten sich für den Abend. Zelt aufbauen, duschen, essen und erholen bei Pasta-Party und Märchen. Das steht auf dem heutigen Abendprogramm.

Sonntag, 9:00: Start der 4. Etappe „Frau Holle“

Im Zentrum des mittelalterlichen Stadtkerns von Gelnhausen befindet sich der Marktplatz mit dem Startbereich. Von unserer Nachtunterkunft aus sind es ca. 1,5 km bis zum Startbereich. Daher setzt sich die Läuferschar schon sehr frühzeitig in Bewegung. Manch einer nutzt den Weg zum Start zum Warmlaufen, aber warm ist es so schon, denn der Himmel leuchtet blau und wolkenlos über uns und die Sonne strahlt, was das Zeug hält. Frau Holle hat also noch nicht ihr Bett ausgeschüttelt und so ist man gut beraten, sich ein Plätzchen im Schatten zu suchen, bevor es wieder auf die Strecke geht. Die erste Etappe des Tages verspricht 17 anspruchsvolle Kilometer mit vielen Steigungen und steilen Bergab-Passagen. Die Glocken läuten von der Marienkirche, heimelig eng sind die Gassen mit den schiefen Fachwerkhäuschen und nach dem Start schlängelt sich eine lange Läuferschlange durch die Gassen des Ortes. Ruhig angehen lassen – das ist die Devise für diese Etappe, denn die Beine sind schon ordentlich schwer und müde und jeder möchte heute Nachmittag noch den Zieleinlauf in Steinau erleben dürfen. Auf dem Weg dorthin wird es aber zum ersten Mal richtig anstrengend. Die Steigung zwickt in den Oberschenkeln und Waden. Verteilt über eine Strecke von ca. 10 km geht es fast immer nur bergauf, ein letzter ca. 800 Meter langer und steiler Anstieg durch den Wald bringt uns zu den "4 Fichten". Dort werden die Läufer - mitten im Wald - von einer kleinen Gruppe jubelnder Menschen mit lauter Musik empfangen. Vorbei an einem Plateau mit 12 Windrädern führt unser Weg nun weiter über sehr steile Abstiege hinunter nach Wächtersbach ins nächste Etappenziel. Von dort müssen wir zunächst noch mittels eines weiteren Transfers nach Bad Orb kommen, wo Hänsel und Gretel auf uns warten und endlich auch die wohlverdiente Mittagsrast stattfindet.

Sonntag, 15:30: Start der 5. Etappe „Hänsel und Gretel“

Die Pause vergeht viel zu schnell und wie durch Zauberhand geführt stehen wir schon wieder am Start. Die letzte Etappe ist mit 18 Kilometern die längste und vielleicht sogar fast die anstrengenste, denn diese letzten Kilometer können ganz schön zur Kopfsache werden.

Flach beginnt die Strecke mitten in Bad Orb unter dem lauten Applaus der Zuschauer. Eine kleine Runde durch den Ort gelaufen hat plötzlich der Teufel seine Hand im Spiel und wie aus der Hölle heraus türmt sich erneut ein langer steiler Anstieg vor uns auf, den wir bewältigen müssen. Danach geht es wieder hinab ins Kinzigtal und unser Weg führt uns schier endlos durch Wiesen und Felder Richtung Steinau, meistens durch die pralle Sonne. Gar fühlt man sich bereits wie im Backofen der Hexe geschmort und mit letzter Kraft wechselt man auf seinem Weg die Seite, um ein paar Meter durch den Schatten laufen zu können.
Laufen fordert Körper und Geist, dieser Tatsache wird man sich auf dieser Strecke bewusst. Von nun an heißt es also, Augen zu und durch und der Hexe entkommen. In Steinau angekommen laufen wir Richtung Altstadt und werden von im Spalier aufgereihten Zuschauern unter lautem Jubel empfangen, als wir auf das Ziel am Rathaus zulaufen. Läuferherz, was willst Du mehr?

Damit ist unser Märchen gewissermaßen zu Ende, denn die beiden Rothemdchen Stephan und Michaela sind wohlbehalten und unversehrt nach 82 Kilometern im Ziel angekommen. Wie im Märchen siegt das Gute über das Böse und die Liebe über den Hass und der Läufer über den Schweinehund.
Und wer sich als Held bewährt hat, wird am Ende belohnt, denn jeder Märchenläufer erhält den Ritterschlag in Form eines Finisher-Shirts.

Ob wir im nächsten Jahr erneut ein weiteres Kapitel beim Brüder Grimm Lauf aufschlagen, wird sich zeigen. Aber Märchen lassen sich ja immer wieder hervorholen und erleben und sind jedes Mal aufs Neue spannend. Und vielleicht finden sich ja noch mehr Rothemdchen auf der Suche nach märchenhaften Abenteuern?