New York Marathon -04.11.2018-

m April 2018 ergab sich für mich kurzfristig die Gelegenheit, den Saisonabschluss noch etwas hinauszuzögern. Nach dem Arberland Ultratrail wollte ich die Gelegenheit nutzen, meine Form halten und habe kurzentschlossen einen absoluten Traumlauf über einen Reiseveranstalter gebucht.

Mit der marathonspezifischen Vorbereitung konnte ich nach der Erholung vom Arberland mit seinen 1.700 hm und knapp 65 km Mitte September starten. Prinzipiell genug Zeit, leider hatte ich ca. 1,5 Wochen erkältungsbedingte Ausfallzeit. Und die sollte mich einiges meiner Fitness kosten. So bin ich denn mit vollkommen zurück geschraubten Erwartungen am 31.10. mit der Lufthansa ab Frankfurt nach New York JFK geflogen. Von dort ging es wirklich problemlos mit dem Airtrain über Jamaica Station, der U-Bahn und dem New Jersey Transit mit dem Bus ab dem Port Authority Bus Terminal, Nähe Times Square. Der ganze Transfer ab JFK hatte vielleicht 1,5 Stunden gedauert. Nicht zu vergleichen mit dem Chaos bei der Deutschen Bahn bei der Anfahrt zum Flughafen, welcher für mehr Stress sorgte, als der gesamte Transfer in New York. Mit dem Bus ging es von Manhattan im Lincoln Tunnel unter dem Hudson nach New Jersey. Dort war ich im Hyatt Place untergebracht. Das Zimmer, Frühstück und die Lage waren sehr gut, und die Kosten durch die Unterbringung außerhalb Manhattans deutlich geringer. Dafür musste man täglich 8,50 Dollar und ca. 40 Minuten für den Bustransfer kalkulieren. Absolut fair!

Den ersten Tag meines Aufenthaltes verbrachte ich mit einer geführten Bustour durch Uptown. Ich konnte einiges an fun facts rund um den Central Park lernen und das schöne Wetter tat sein Übriges dabei. Mir war nicht nach Museum. Im Anschluss ging es noch zur Marathon Messe, Startnummer holen und auf die Highline den Chelsea Market. Die ganze Stadt war noch von Halloween tags zuvor dekoriert. Rückblickend war die Highline ein absolutes ‚Highlight‘. Eine ruhige Oase im Treiben der Stadt.

Am darauf folgenden Tag ging es weiter mit der fröhlichen Besichtigung per Bus. Der Trip am Vortag hatte viel Spaß und Neues gebracht und so wählte ich diesmal die Downtown Tour mit ihren wohl bekanntesten Sehenswürdigkeiten Manhattans. Besonders beeindruckend war hier für mich die 9/11 Gedenkstätte und, ganz klassisch, die Vorbeifahrt an der Freiheitsstatue mit der Staten Island Ferry.

Am Abend folgte die Parade of Nations, ein Punkt im umfangreichen Rahmenprogramm des NYC Marathons. Es gab einige Darbietungen und ein großes Hallo, als Läufergruppen aus 150 Nationen aufmarschierten. Der Abschluss war ein großes Feuerwerk, was wegen der stakkatoartigen Explosionen für eine gespenstische Atmosphäre sorgte.

Der folgende Tag stand im Zeichen der unmittelbaren Vorbereitungen. Ein letztes Briefing vom Reiseveranstalter, Carboloading, Shoppen auf der Marathonmessse. Die Nacht zum Sonntag verlief ruhig und ereignislos. Überhaupt muss ich dem Reiseveranstalter einen reibungslosen und kundenorientierte Organisation attestieren. Geführte Läufe am Morgen, Sprechstunden, Sonderwünsche, alles wurde bestens gemanaged.

Am Rennsonntag ging es um 6:15 Uhr mit dem Bus von New Jersey nach Staten Island. Noch so ein Vorteil gegenüber der Unterbringung in Manhattan. Dort müssen die Busse bereits um 5:15 Uhr los, da die Verrazano-Brücke um 7:15 etwa für den Verkehr geschlossen wird. Wir kamen dann wegen des üblichen Staus am Startgelände bei Fort Wadsworth etwa um 8:15 Uhr an.

Dort erwartete uns ein gewaltiges Sicherheitsaufgebot. Metalldetektorschleusen am Einlass, teils paramilitärische Polizeipräsenz aller Gattungen, von Schulpolizei bis Küstenwache. Dennoch war die Atmosphäre freundlich, teils verkniffen und Ernst, aber auch abklatschende, anfeuernde Mitglieder der Nationalgarde gab es und das hat bei mir doch zum überwiegend sehr offenen Eindruck beigetragen.

Bis zum Start meiner ersten Welle um 9:50 Uhr war noch viel Zeit tot zu schlagen und mir etwas bange ob des Wetters. New York im November? Ich dachte an Schnee und Eis, Kevin allein in New York. Doch weit gefehlt. In meiner Klamottenwahl nach dem Zwiebelprinzip war ich dennoch richtig gelegen und konnte mich dementsprechend darauf einstellen. Die Zeit im Schatten nach Öffnung der Startblöcke eine halbe Stunde vor dem Start verging wie im Fluge, vermutlich der Vorfreude geschuldet. Dann der Weg zur beeindruckenden, 2 Meilen langen Brücke, Motiv zahlloser Bilder (es sollte sich früh genug heraus stellen, warum das so ist). Hier schien die Sonne bereits zu früher Stunde kräftig, keine schattenspendende Hochhäuser oder Bäume versperrten ihren Strahlen den Weg.

Dann folgte die Hymne, der Start und Frankieboy singt „New York, New York“. Das war es, was für ein erhebendes Gefühl. Der Tross setzte sich langsam in Bewegung. In der Ferne sah ich einen Pacemaker, welche Zeit er auf einem Pappschild trug, konnte ich nicht erkennen. Ich wollte irgendwo unter 3:30 Stunden raus kommen, meine Form halbwegs bestätigen. Aber erst einmal musste man über diese Brücke. Der sanfte Anstieg war ein Witz. Weniger witzig fand ich die Narzissten, die sich auf die Brüstung der Fahrbahnabgrenzung schwangen, Fotos (vorwiegend Selfies) machten und dann einem unvermittelt vor die Füße sprangen. Sicher, mit der Skyline Manhattans im Hintergrund ein absolutes Postkartenmotiv, aber doch bitte nicht so. Ich behielt mein Handy zunächst schön in der Tasche und konzentrierte mich lieber auf den Weg. Auch bei diesem Lauf haben sich langsame Starter weit nach vorne verirrt. Ich fragte mich, warum das nicht besser klappt.

Bei all den Widrigkeiten hätte mein Puls eigentlich höher sein müssen. War er aber nicht. Die Pace war auch konkurrenzfähig, doch ich hatte aus den Übertreibungen der Vergangenheit gelernt und mich nicht zu sehr mitreißen lassen. Dennoch zeichnete sich im Stadtteil Brooklyn, der etwa die Hälfte des Marathons ausmacht, ab, dass die Tagesform vielversprechend war und so wollte ich die Pace für meine Verhältnisse hoch bzw. niedrig halten. Entlang der 4th Avenue in Brooklyn war ausreichend Platz. Ab hier vermischte sich das Feld mit den parallel gestarteten Läufern (rot, grün), ich mogelte mich an den Absperrungen zwischen den Fahrspuren entlang und konnte dabei ordentlich Plätze und Strecke machen.

Über die Pulaski Bridge ging es nach etwa 1:40 Stunden in den Stadtteil Queens. Wie in allen Stadtteilen wurde man herzlich begrüßt. Es herrschte bis auf Uptown Manhattan eine ausgelassene und wilde Stimmung, die eher einem Volksfest glich und entfernt auch an Schlachtengesänge aus Stadien erinnerte.  Kaum war man in Queens angelangt, wurde man über die Queensbridge erstmalig nach Manhattan geleitet. Von dort aus ging es nach East Harlem. Auf dem Weg dorthin, irgendwo bei Meile 17 war die Reisegruppe und feuerte „ihre“ Läufer an. Es standen so unfassbar viele Menschen in ca. 7 Reihen hintereinander am Rand, dass ich nicht mehr damit rechnete, ein bekanntes Gesicht zu erkennen. Die Wiedersehensfreude war natürlich umso größer und trug mich auf meinen Weg Richtung East Harlem und von dort in die Bronx.

Nach einem kurzen Gastspiel in der Bronx wurde man schnell wieder zurück nach Harlem und Manhattan gelotst. Ab hier, der Madison Avenue Bridge musste ich mich etwas zusammen nehmen. Ich realisierte, dass mich der 3:15 Pacemaker von hinten einzuholen begann. Ich konnte nicht fassen, dass er die ganze Zeit hinter mir gewesen sein sollte, warf alles in den Hut, zog an und konnte das Tempo viele Meilen bis etwa zum Metropolitan Museum halten.

Leider wollte der Central Park kein Ende nehmen. Ich bedankte mich und ließ den Pacemaker ziehen. Ab dem Zoo etwa blieb mir nur den Lauf zu genießen, ich wollte nicht völlig zerstört daraus hervor gehen. Dafür war es dann doch ein zu schöner Tag und Lauf. Der letzte Anstieg zum Ziel war zum Gipfel mutiert und dann war es geschafft. Kurzes Abklatschen mit dem Race director und dann wird man fernab von Zuschauern durch den Zielbereich gelotst. Das war sehr effizient organisiert, aber auch etwas unpersönlich. Dennoch waren die Helfer alle guter Laune und ein Garant für eine erfolgreiche Abwicklung. Dafür muss man dankbar sein, man stelle sich vor, wieviele Läufer insgesamt hier durch mussten! Seine Versorgung bekam man in einer Tasche, ein Buffet gab es nicht, hier hätten sich wohl sonst zu viele Menschen versammelt.

Duschen gab es ebenso wenig. Ich bekam den luxuriösesten Regenponcho und machte mich unvermittelt auf den Weg zum Hotel. Kurz und schmerzlos.

Kaum zu fassen, der ganze Aufwand für 3:17 Stunden Spaß. Neue, leicht verbesserte persönliche Bestleistung, aber was tut das zur Sache? New York war einfach der Wahnsinn! Die Reise allemal wert.

Aber zu Hause ist es doch am schönsten und so startete ich schon eine Woche später bei der 20. Auflage des Lebkuchenlaufs erneut für die TGK!

Sportliche Grüße

Bernd