Mexico City Marathon -02.09.2012-

Diesen Marathon hatte ich schon seit Jahren im Visier. Doch wie bei vielen Exoten ist der Termin nicht jedes Jahr gleich und schon gar nicht steht er immer ein halbes Jahr im voraus fest. So suchte ich also auch dieses Jahr bereits ab März nach dem diesjährigen Datum  -  das „world wide web“ bietet ja viele Möglichkeiten! Doch weder über die im letzten Jahr angegebene website noch über den amerikanischen „marathon guide .com“ ließ sich Näheres ermitteln. Erst über den mexikanischen Roadrunners-Club  kam ich an zwei Telefonnummern des Veranstalters. Mehrere Anrufe in Mexiko City brachten dann den Erfolg. Ich wusste endlich das Datum: 02.09.2012. Eine Anmeldung via Internet war für Ausländer leider nicht möglich. Ich gab meine E-Mail-Adresse durch und stand fortan mit einer Frau in Korrespondenz, die mir versicherte, ich könnte die Anmeldung nebst Bezahlung der Startgebühren von umgerechnet 62 € problemlos vor Ort vornehmen.

Nun, bereits Mitte April, noch einen günstigen Flug gebucht und es konnte losgehen. 8 Tage Aufenthalt sollten reichen, da ich das Land ja bereits von zwei mehrwöchigen Reisen her kannte. Eine spezielle Vorbereitung für den auf über 2.000 m Höhe ausgetragenen Lauf hielt ich nicht für notwendig. Also zwei Tage vorher in den Flieger gesetzt und nach knapp 11 Std. und 7 Std. Zeitverschiebung war „la capital“ am Freitag Abend erreicht. Eine  Stunde Fahrt mit der U-Bahn für umgerechnet gerade mal 0,18 € und ich befand mich in meiner im Zentrum gebuchten Unterkunft.

Die Startunterlagen (für mich natürlich  erst Anmeldung) gab’s am nächsten Tag zwischen 10.00 und 16.00 Uhr. Da blieb ja noch genügend Zeit für etwas Stadtbesichtigung – dachte ich mir so in meiner Unbekümmertheit! Hätte ich das nur frühmorgens gleich erledigt; denn jetzt begann ein Abenteuer, das seinesgleichen sucht. Ich stand also kurz nach 14 Uhr vor dem Sportkomplex außerhalb des Zentrums und traute meinen Augen kaum. Da standen ca. 100 LäuferInnen vor einem verschlossenen Tor und plärrten um Einlass. Auf meine in schlechtem Spanisch gestellte Frage, was denn los sei, antwortete mir eine junge Frau, die Ausgabe der Startunterlagen sei um 13.00 Uhr einfach abgebrochen, die noch drinnen befindlichen Leute mehr oder weniger von Polizisten hinaus geworfen worden. Dann schloss man das Tor ab. Da stand ich also mit meinem Talent bei ca. 30° C. in der Sonne inmitten der stetig anwachsenden Menge und wusste nicht, ob ich am nächsten Tag wohl laufen könnte und ob der Marathon überhaupt stattfindet!

Dann plötzlich eskalierte die Situation; die immer lauter werdende Läuferschar ließ ihren Worten Taten folgen, stürmte auf die 6-spurige Straße und hielt einfach den Verkehr an. Polizisten versuchten, einige von der Straße zu drängen - vergebens. Bis keine 10 Minuten später zig Mannschaftswagen mit mehr als 100 Polizisten anrückten. Ausgerüstet mit Helmen, Schutzschilden und Knüppeln wurden alle von der Straße und vor dem Tor zusammen gedrängt. Jetzt umstellten sie uns mit ihren Schilden und ließen keinen mehr durch. Statt mich auf den Marathon zu freuen sah ich mich schon in einem mexikanischen Gefängnis. Da ich wohl der einzigste Ausländer hier war und man mir das ja als blonden Jüngling auch ansah, sprach mich jetzt eine Läuferin auf englisch an. Ich gab ihr die Tel.-Nr. von dieser Frau Deyanira und nach einem längeren Gespräch mit dem Polizeichef höchstpersönlich, ließ man uns zusammen mit zwei weiteren Läufern aus der noch immer umstellten Menge. Ein, wie es aussah, besser situierter Läufer, bot mir in perfektem englisch an, mich in mein Hostel zurück zu bringen und sagte mir, es gäbe eine erneute Startnummernausgabe um 18.00 Uhr am Zocalo, dem Hauptplatz, wo sich auch Start und Ziel befanden. Kurz und gut, ich fand mich also um 18.00 Uhr dort ein,  mußte aber, da diese Frau Deyanira nicht auftauchte (und nur sie hatte ja all meine persönlichen Daten!), nochmals 1 ½ Std. warten, bis ich als fast letzter nochmals Name, Adresse usw. hinterließ und endlich meine Startnummer nebst T-Shirt bekam – endlich geschafft !!! Einziger Pluspunkt: Nach der Bezahlung der Startgebühr fragte mich niemand mehr. Jetzt nur noch zurück ins Hostel (lag ja nur 5 Min. von Start/Ziel entfernt), ein Nudelgericht reinziehen und die Beine hochlegen.

Der Start am nächsten Morgen erfolgte ja wegen der aufkommenden Hitze recht früh. Um 7 Uhr für die Frauen, um 7.15 Uhr dann für die Männer. Ein Erlebnis für sich! Nach der aus Tausenden Kehlen mitgesungenen Nationalhymne und dem obligatorischen „viva la Mexico“ wurde ein bombastisches Feuerwerk in den noch nächtlichen Himmel gezaubert. Dann stürmte alles los, als wär’s ein 10 km – Lauf. Selbst gut beleibte Läufer ließen mich stehen. Ich lief mein Tempo und wusste, die kriegst du wieder! Die große Runde entlang vieler Sehenswürdigkeiten verlief oft über Kopfsteinpflaster und war ein stetig leichtes Auf und Ab. Ich fühlte mich trotz null Akklimatisierung fit, nahm jedoch immer auf mein lädiertes Knie und die aufkommende Hitze Rücksicht. Auch der geringere Sauerstoffgehalt der dünnen Luft hier auf über 2.000m machte sich bemerkbar. Zu allem Überfluss musste man sich ab km 32 noch durch den später gestarteten Pulk der hier immer langsamer werdenden Halbmarathoner kämpfen. So war ich froh, das Ziel nach 3:46:59 Std. als einzigster deutscher Teilnehmer zu erreichen. Überhaupt waren unter den ca. 15.000 Finishern nur sehr wenig Ausländer, wenn, dann meist aus den Staaten.. Der Sieger auch hier: Ein Kenianer in 2:15:54 Std.

Ein Erlebnismarathon sondersgleichen war zu Ende.

Bleibt noch zu erwähnen, dass ich anschließend zwei Tage bei 32° C. zum Relaxen in Acapulco verbrachte, die berühmten Felsenspringer (stürzen sich aus 35 m Höhe in eine schmale Meeresenge!) bestaunte und die restlichen 5 Tage mit Maya-Kultur, der Besichtigung der größten Tropfsteinhöhle Lateinamerikas (da kommt nur Postojna in Slowenien mit) sowie einem Tagestrek zum herrlichen, immer noch rauchenden Vulkan Popocatépetl ausfüllte.

Bericht von Otmar Witzko

Anm. der Redaktion: Danke Otmar,  wir wünschen uns noch viel weitere Berichte von "Exoten-Marathons"