Laufen durch Schnee- und Eis

Faszination Baikal-Ice-Marathon; Laufbericht von Otmar Witzko

Etwas Besonderes muss her. Stadtmarathons verlaufen doch immer nach dem gleichen Muster – selbst wenn es sich um Exoten wie Kathmandu oder Ho Chi Minh City handelt. Bergmarathons wie Jungfrau oder Mont Blanc setzen da schon mehr Akzente. Das Salz in der Suppe sind jedoch die Unikate wie der Sahara-Marathon oder  -  ja, der Baikal-Ice-Marathon.

Also, Kurzreise bei BaikalExpress GmbH gebucht und sich vorbereiten. Das war bei unserem diesjährigen Winter, der seinem Namen seit vielen Jahren wieder mal gerecht wurde gut möglich. Dachte ich. Weit ge-fehlt. Nach einem 10-stündigen Flug mit der Aeroflot über Moskau nach Irkutsk wird klar: Hier in Ost-sibirien herrscht noch wirkliche Kälte. Minus 18° C zeigt das Flughafenthermometer. Als ein Russe mit T-Shirt ! uns Warmduscher aus dem Westen mit eingezogenem Genick in die Flughafenhalle kommen sieht lacht er nur und sagt in gebrochenem Deutsch: „Nix kalt, in Januar – 30° bis – 40° C“. Na ja, das kann ja heiter werden!

Dann Busfahrt zu unserer Pension in Listvyanka. Uns bleibt ja noch der Nachmittag und der nächste Tag zum Akklimatisieren. Ab jetzt ist lange Unterhose Pflicht.

Sonntagmorgen: raceday / Lauftag. Alle Läufer/innen (Halb- u. Marathon) werden mit 5 Luftkissenbooten auf die andere Seite des Sees nach Perejemnaja gebracht. Hier ist der See ca. 40 km breit. Durch ein paar Zick-Zack-Wege (durch aufgebrochene, bis Meter hohe herausragende Eisplatten wäre der See sowieso nicht einfach geradeaus zu belaufen) kommen dann von Ufer zu Ufer echte 42,195 km zusammen. Das dürfte der einzigste Marathon weltweit sein, wo am Start schon schemenhaft das Ziel zu erkennen ist.

Und dann stehen 43  Gestalten aus 7 Nationen frierend hinter einer auf dem Schnee gezogenen Startlinie und warten auf den Startschuss. Doch die Pistole versagt ihren Dienst und so wird auf Russisch einfach von 10 auf 0 herunter gezählt. Der Tross setzt sich in Bewegung. Hintereinander. Denn die ersten 10 – 12 km stapfen wir durch 30 cm hohen Schnee. Die – 15° C bei Sonnenschein und eisigem Nord-Ost-Wind lassen die gefühlte Temperatur auf – 25° C sinken. Trotzdem wird uns allen schnell warm. Dem Läufer aus Frankfurt mit seinem Hightech-Anzug und –schuhen im Wert von 1.400 € genauso wie einem Russen, der nur mit einfachsten Pelzklamotten den Marathon bewältigt. Das kleine Häuflein zieht sich gleich aus- einander. Man freut sich auf jeden Verpflegungsstand. Fünf an der Zahl. Die sind jeweils an den Luft-kissenbooten aufgebaut und allesamt gut bestückt. Von warmem Mineralwasser und heißem Tee bis zu Rosinenkuchen und Müsliriegeln ist alles vorhanden. Ich ziehe fast immer nur die Überhandschuhe aus. Nach drei Minuten sind die Hände nahe am Gefrieren. Weiter über die mit roten Fähnchen markierte Strecke. Hat sicherlich Arbeit gemacht. Viele sind ins Eis gebohrt und das alle 120 m! Der Schnee wird weniger, dafür kommen immer mehr Blankeisflächen. Und hier komme ich an meine Grenzen. Die noch so schönen Gebilde des zwischen 1,50 und 2,00 m tief gefrorenen herrlichen Eises können mir nicht darüber hinweg helfen. Meine übergezogenen Schnee-/Eisketten sind einfach nicht die optimale Wahl. Reine Spikes-Schuhe wären hier angebracht. Ich rutsche mehr, als dass ich laufe und bin heilfroh, nach den letzten 10 km über blankes Eis das Ziel in Listvyanka zu erreichen. Auch wenn es mit 5:34 Std. das schlechteste Ergebnis in meinem 86. Marathon ist. Doch nach einer heißen Dusche – wer will, kann auch saunieren – im besten Hotel am Platz sieht die Welt schon wieder besser aus. Bei der am Abend in familiärem Rahmen stattfinden-den Siegerehrung bekommt dann jeder der 30 Marathon- und 12 Halbmarathon-Finisher eine wirklich schöne Urkunde und die Medaille persönlich überreicht. Ein Marathonbüffet mit allerlei Köstlichkeiten einschließlich Trüffel rundet den Marathontag ab.

 

Bleibt noch zu sagen, dass dieses weltweit einmalige Lauferlebnis jedem zu empfehlen ist, der einmal die besondere Herausforderung sucht. Dieser Marathon wird für immer im Gedächtnis bleiben.

 

Ein Bericht von Otmar Witzko

"