Hallo zusammen,
anbei mein „Rennbericht" für die Webseite. Ich habe mal einen anderen Stil probiert, so ist es nicht wirklich ein „Bericht", sondern ich arbeite mich an Schlagworten ab.
http://www.kerrywayultra.com/race-info.php
Sportliche Grüße
Bernd
Vorbereitung:
Seit 5 Jahren, im Prinzip seit Beginn meiner Trailrunning-„Karriere" habe ich auf den Lauf „Kerry Way Ultra" in Kerry, Irland als „Grande Finale" hin trainiert. Eigentlich waren 4 Jahre angesetzt, Corona hat vergangenes Jahr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Lauf fand 2020 zwar statt aber nur für die einheimische Bevölkerung bzw. Teilnehmer aus Ländern der „Green List", auf der Deutschland nicht zu finden war. Insofern hatte ich ein weiteres Jahr der Vorbereitung „gewonnen".
Dieses Jahr hatte ich mich mit Periodisierung noch intensiver vorbereitet. Spezifisch mit einem 24-Stunden-Laufplan 205km von Hubert Beck. In den Beckschen Plänen ist in den frühen 6-wöchigen Makros eine Verbesserung der Halb- bis hin zur Marathonzeit enthalten, bevor der Plan dann nach einer 3-wöchigen Erholungsphase spezifisch 12-Wochen auf die Verbesserung der Grundlagenausdauer abzielt.
Nachdem ich im Frühjahr in der Marathonvorbereitung zunächst ausgebrannt war und im Frühsommer an Covid erkrankte, konnte ich mich sowohl mental als auch körperlich in der Zeit erholen. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich nur einen milden Covid Verlauf hatte. Erst durch die geänderten Impfbestimmungen als Genesener konnte ich mich nach nur 4 Wochen nach Genesung impfen lassen, womit eine Einreise in Irland überhaupt erst sicher möglich wurde. Insgesamt muss ich sagen, dass bedingt durch die Phase der Unsicherheit einer Teilnahme bis in den Frühsommer hinein, ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten gewissenhaft vorbereitet habe. Ich war abgesehen von 2 Wochen Quarantäne nicht weiter ausgefallen, insgesamt wurde ich in meiner Progression etwa 2 Monate meiner Vorbereitung zurückgeworfen und habe lediglich Schnelligkeit und Kraft verloren, nicht jedoch an Grundlagenausdauer eingebüßt. Für mein DNF ist die Erkrankung nicht verantwortlich.
Anreise:
Weil ein Passagier seine Corona-Selbstauskunft nicht wie verlangt am Flughafen vorweisen konnte, musste das Gepäck noch in Frankfurt teilweise entladen werden. In der Folge war dann unser Gepäck nicht in Cork angekommen. Ich trug zwar meine komplette Pflichtausrüstung am Körper, doch meine Sportlernahrung, Ersatzklamotten, Schuhe waren betroffen und, was noch schlimmer war, das Gepäck für meinen 3-Monate alten Sohn und meine Frau. So durften wir um 21 Uhr abends, nach einer stundenlangen Fahrt nach Killarney, noch auf Kosten der Fluggesellschaft einkaufen gehen, um mit dem Notwendigsten ausgestattet zu sein (Hygieneartikel, Windeln, Babykleidung, Schlafsack, Unterwäsche). Die Koffer kamen in der nächsten Nacht am Hotel an. Insgesamt waren etwa 20 Passagiere von dem Vorfall betroffen.
Verpflegung:
Insgesamt gab es 9 VPs an denen die Crews den LäuferInnen etwas anreichen konnten bzw. alternativ auf bereitgestellte Dropbags zurück gegriffen werden konnte. In den Nicht-Coronajahren sei das Angebot reichhaltiger gewesen, habe ich mir sagen lassen, aber dies war unter den Umständen nicht möglich. 9 VPs über die Distanz sind nicht allzu viel. Man sollte meinen, dass ein VP alle etwa 20 km genug sei, doch weit gefehlt. Wenn du gezwungen bist, den unwegigen Abschnitt zu wandern, können in meinem Fall bis zu 5 Stunden Zeit vergehen. Meine Frau und mein Sohn sind noch in Glenbeigh nach etwa 50 km zu mir gestoßen, das hat mir schon einen Boost verschafft, aber mehr war für sie einfach nicht drin. Erstmals musste ich mich im Vorfeld haarklein damit beschäftigen, was ich wann zu mir nehmen möchte, plus ein reichhaltiges Angebot schaffen, damit ich unter allen Eventualitäten Appetit verspüren könnte und Nahrung und damit Energie zu mir nehmen würde.
Die Strategie ist auch aufgegangen. Die ersten VPs hatte ich noch auf vorwiegend feste Nahrung, Süßes wie Salziges gesetzt und dann nach und nach zu Riegeln, Gels und Cola übergegangen. Zum prognostizierten Anbruch der Nacht frische Klamotten, Schuhe, Socken, eine „warme" Instant-Suppe. Ich habe alles vertragen, die reichhaltige Auswahl hat es mir ermöglicht, frei nach Lust und Laune zu wählen. Wo ich mich verkalkulierte war beim Flüssigkeitshaushalt, da es doch recht warm war. Statt 1 Liter wären 1,5 Liter angemessen gewesen, was ich erst in den späteren VPs auch so vorgesehen hatte. Bis dahin mussten fließende Gewässer, und freundliche Crews von Mitläufern herhalten.
Pacing:
Ich hatte mir 30 Stunden als Ziel zurecht gelegt. Leider bin ich dabei zu oberflächlich gewesen und habe mich in Unkenntnis des Untergrundes bei meiner Abschätzung rein auf Distanzangaben+Reserve verlassen. Bei der Kalkulation habe ich Meilensteine bei den VPs gesetzt, um die 30 Stunden dann auch vermeindlich „sicher" treffen zu können. Schon früh begann die Kalkulation aber abzuweichen. Ich musste etwas Pace rausnehmen, damit mein Puls nicht zu hoch war. Statt 5:30-6:30 min/km eher 6:30-7:00/km. Meine Kalkulation wich nicht gravierend ab, aber doch so progressiv, dass es mich zunehmend beschäftigte und irritierte. Ein Zieleinlauf am 2. Tag um 18 Uhr war für mich außerhalb meines Erwartungshorizontes. Und je weiter ich von dem ursprünglichen Ziel 12 Uhr am Samstag entfernte, desto unvorstellbarer wurde es für mich, das Rennen zu Ende zu führen.
Organisation und Community:
Covid hatte natürlich Einfluss, auch auf die Organisation dieses Events. Dennoch muss ich sagen, dass man sein möglichstes unternommen hat. Selbst Recce-Läufe wurden wie jedes Jahr organisiert. Ich hätte besser teilgenommen, so wäre ich vielleicht besser auf den Untergrund vorbereitet gewesen. Andererseits hätte es den ökologischen Fußabdruck auch vergrößert. Die Vorbereitung nahm bereits einen großen Teil der Freizeit in Anspruch. Urlaubstage waren bis zuletzt ausgeplant, da waren zusätzliche Tage auf Gleitzeit nicht drin, zumal nicht mit der hochschwangeren Frau.
Die Organisatorin Eileen stand jederzeit für Fragen zur Verfügung, kommuniziert wurde per Facebook Chat bzw. Instagram Live auf eigenen Kanälen und die interessierten LäuferInnen wurden mit Interviews auf den KWU eingestimmt. Man half sich mit Ratschlägen vorab und fühlte sich gut informiert.
Die irische Gastfreundschaft ist legendär. Ich kann nur empfehlen, das Land einfach zu bereisen und in mit seinen Bewohnern in Kontakt zu treten, sonst bekommt man den Eindruck nicht vermittelt. Es war nun mein zweiter Aufenthalt in Irland und ich habe seine Bürger, ob Läufer oder nicht, sind einfach unfassbar nett, hilfsbereit und einfühlsam erlebt.
Wetter:
Die äußeren Bedingungen für diesen Lauf waren ideal. Hätte es im Vorfeld oder währenddessen geregnet, wären die Bedingungen sofort ganz andere. So waren kaum matschige Abschnitte dabei. Und die sind meist ganzjährig feucht und durch Bohlen passierbar. Es war auch nicht allzu windig. Für irische Verhältnisse warm (19°C-21°C).
Landschaft und Untergrund:
Ein einziger Traum... solange es hell ist. Es gibt da einen Spruch, bitte verzeiht, wenn ich das so non-galant ausdrücke: „In der Nacht sind alle Katzen grau". Will heißen: In der Nacht zehrten die schlechte Beschaffenheit der Wege und das ständige Treppauf/Treppab an mir. Die optischen Impressionen entfielen komplett. Die Tatsache, dass die Gegend dort als dunkelste Gegend der nördlichen Hemisphäre gilt, bei der sich gut Sterne beobachten lassen, nützt bei deckender Bewölkung leider auch nichts. Vielleicht hätte eine Vollmond-Nacht etwas an meiner Laune und Motivation geändert, ich weiß es nicht. Es ist auch nicht so, dass ich nicht auf Laufen bei Nacht vorbereitet gewesen wäre. Ich wusste, dass das kommen würde und wollte bewusst so viel Strecke bei Tag machen. Mein avisierter Meilenstein für den Einbruch der Nacht war der VP in Waterville gewesen. Ein Ziel, dass ich ob der Beschaffenheit des Abschnittes um ca. 3 Stunden verfehlen sollte.
Um den Grad meiner Frustration zu verdeutlichen: meine Frau meinte noch versöhnlich, dass wir wiederkommen könnten, ich könnte den Lauf beenden oder wir könnten den Kerry Way gemeinsam in Etappen wandern.... als Einstieg in das Thema Fernwandern würde ich ihn definitiv nicht empfehlen. Das Frustpotenzial ist groß. Der technische Anspruch ist, verglichen mit bspw. dem West Highland Way in Schottland, ungleich größer. Der Weg ist über weite Teile nicht das, was ich als „laufbar" empfinde. Ich bin aber zum Laufen gekommen. Die Landschaft „laufend" erleben, das ist es, was ich mit Trailrunning verbinde. Ich mag es „Rollen" lassen. Wenn ich wandern möchte, gehe ich eben Wandern. Das war aber in diesem Wettkampf aber nicht mein Anspruch, und mit einem Cutoff von 40 Stunden auch gar nicht ohne weiteres machbar. Wie kommt das?
Die irische Insel scheint mir ein unfruchtbarer Fels im Atlantik zu sein, wo Sedimente teils nur wenige Zentimeter starkes Erdreich anhäuften. Oft sieht und läuft man auf nacktem Fels. Bitte nicht falsch verstehen, ich empfinde diese Kombination als sehr reizend, aber sie ist für mich offenbar schon zu technisch, zu wenig „laufbar". Der Frust darüber und auch über meine eigene Naivität war schon groß, so dass mir der Spaß beim Abschnitt vor Waterville und Sneem dann auch komplett abhandenkam. Vermutlich hätte ich besser den Fernwanderweg zuerst wie in Schottland bewandert, um ihn dann, mit der Erfahrung, den KWU gemeistert (oder von vorne herein ausgeschlossen).
DNF:
Zum DNF kam es aus einer Reihe von Gründen. Dass ich des Nachts nicht der besten Laune war und ich viel Wandern musste, das habt ihr schon rausgelesen. Ich will mich auch nicht rechtfertigen, aber für sich allein betrachtet, hätte das zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum DNF gereicht. Es war vielmehr eine Vielzahl von Gründen neben diesen genannten.
Als da wäre meine Oberschenkelmuskulatur, die bergab nicht mehr den Befehlen folgen wollte. Nach 4000 Höhenmetern, von denen gefühlt 50% durch falsches Treppensteigen bedingt war, und der Beschaffenheit des Untergrundes hat mir hier der sichere Tritt gefehlt. Desweiteren war durch die besagten Treppen, den sogenannten „Stiles", die Felder abtrennen und Kuh und Schaf auf die bestimmten Weide begrenzen sollen, der gesamte Lauffluss zusätzlich unterbrochen. Kaum kam man in der Ebenen ins Laufen (bergan wird ohnehin gegangen, bergab funktionierte irgendwann nicht mehr) gekommen, musste man schon wieder stoppen und Treppen steigen. Und diese Situation wiederholte sich oft.
Ein weiterer Grund für die Verzögerung war der teils schlecht auszumachende Pfad. Unter anderen Umständen eine Herausforderung, die man sich gerne stellt, hier hat es irgendwann genervt. Umwege mussten gegangen werden, Platzierungen wurden verloren.
Der vielleicht profanste der Gründe ist eine Verletzung am Knöchel, die ich durch ungeschickte Handhabung meines Stockes selbst verschuldet habe. Das ist noch im ersten Streckenabschnitt passiert, zunächst sehr schmerzhaft aber läuft sich dann raus. Über die Dauer des Laufes und insbesondere dann bei meiner vorletzten und letzten Etappe dann aber durch Anschwellen des Gewebes sehr schmerzhaft. Ich habe um Eis zum Kühlen gebeten, habe mich hingesetzt, um den Knöchel zu kühlen und als mir kalt wurde, habe ich mich schön warm eingepackt, Suppe gegessen und keine Alternative zur Aufgabe gesehen. Schon im Anmarsch auf den Versorgungspunkt in Sneem habe ich mich mit dem DNF auseinandergesetzt, mir war der Spaß auf Grund der Vielzahl der zuvor genannten Gründe abhandengekommen und die Qual war es mir dann nicht wert. Deshalb habe ich den Stecker gezogen und mich am nächsten Morgen, nachdem ich kein Taxi erreichte, von meiner Frau abholen lassen.
Danksagung und nächste Ziele:
Mein Dank gilt meiner Frau, der besten Unterstützerin der Welt, die für meine persönlichen Herausforderungen auf vieles verzichten musste.
Nach erfolgter Erholung befinde ich mich in der Marathonvorbereitung für München Anfang Oktober 2021. Hier habe ich noch den Startplatz von vergangenem Jahr und, sofern kein Vulkanausbruch dazwischen kommt, den Transvulcania Anfang November 2021. Ein weiteres absolutes Highlight, das ich diesmal aber finishen muss, wenn ich nächstes Jahr meine avisierten Rennen bestreiten möchte. Insgesamt soll der Umfang und die Distanz aber wieder deutlich runter.
Lessons Learned:
- Stöcke ja, aber öfter wegstecken
- Stiles vorwärts hoch, rückwärts runter
- Mit den Etappen noch mehr vertraut machen, das Terrain nicht unterschätzen
- Mehr Höhenmeter Bergab machen. Bergauf war dank Stockeinsatz kein Problem.
- Anspruchsvolleres Terrain in der Vorbereitung