Allgäu Panorama Ultratrail -23.08.2015-

Allgäu Panorama Ultratrail am 23. August 2015 – Laufbericht von Daniela Auer   „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es auch nicht das Ende.“ Oscar Wilde     Nach meiner Ultramarathon-Premiere im letzten Jahr und dem Hamburg Marathon im April suchte ich für die 2. Jahreshälfte noch nach einer neuen sportlichen Herausforderung, am liebsten etwas länger und auf Trails. Der Allgäu Panorama Ultra Trail klang von Anfang an gut, da die Strecke und die Höhenmeter (70km / 3000 Höhenmeter) für mich gerade noch machbar schienen und mich ein Lauf in den „richtigen“ Bergen schon seit langem reizte, mir die übrigen Ultras im Alpenraum aber zu krass schienen. Auch der Zeitpunkt im August war günstig. Glücklicherweise konnte ich noch Anja dazu gewinnen, die den Halbmarathon in Angriff nehmen wollte, und so machten wir uns am Samstagvormittag auf den Weg nach Sonthofen.   Nach einer staubeding längeren Anfahrt konnten wir nachmittags schließlich unser Hotel beziehen und unsere Startunterlagen in Sonthofen abholen. Wir staunten nicht schlecht: im relativ günstigen Startgeld waren eine Tasche bzw. ein Rucksack, eine Trinkflasche, ein Teller Pasta sowie freier Eintritt in das Wonnemar (Schwimmbad und Sauna) am Wettkampftag enthalten. Nach einem Abendessen beim Italiener fielen wir dann früh ins Bett, denn der kommende Tag würde lang und anstrengend werden.   Als um 4 Uhr am nächsten Morgen der Wecker klingelte, war ich nicht gerade erholt, doch meine Aufregung ließ mich die Müdigkeit schnell vergessen. Nach einem kargen Frühstück verließ ich gegen 5 das Hotel, um mit dem Taxi zur Startlinien zu fahren. Dort wartete schon eine Hand voll übernächtigter Ultraläufer im schwachen Schein der generatorbetriebenen Lampe und mit Kaffee aus Pappbechern.   Der Start war relativ unspektakulär. Fünf Minuten vor 6 Uhr forderte der Organisator die Läufer auf, sich langsam mal an den Start zu begeben, schließlich hatten wir ein Rennen zu laufen… Auf ein Zeichen hin setzten sich alle ca. 270 Läufer in Bewegung. Einige klatschten und jubelten, doch bei mir wollte sich irgendwie keine Euphorie einstellen. Es war kalt, dunkel, ich war müde und nervös wegen dem ersten Zeitlimit. 3 Stunden und 15 Minuten für die ersten 19 Kilometer und rund 1200 Höhenmeter. Ich hatte das am Schwanberg getestet und wusste, dass es machbar war; das man die Allgäuer Berge nicht mit dem Schwanberg vergleichen konnte war mir aber auch klar, und das sollte ich später noch schmerzhaft feststellen.   Die ersten beiden Kilometer waren noch flach, doch dann wartete auch schon der erste Anstieg auf uns. Das Anfangstempo blieb auch am Berg hoch, das Zeitlimit saß uns Läufern aus dem hinteren Teil des Feldes im Nacken, und so war es von Anfang an kein Spaziergang. Es ging hinauf über Forstwege und Wiesen und schon bald auch schon auf die ersten technisch anspruchsvollen Trails mit Wurzeln und Steinen.   Ich fühlte mich nicht besonders gut, meine Lungen brannten, meine Beine waren schwer… worauf hatte ich mich da nur eingelassen? Doch dann wurde es ein bisschen einfacher, das Feld zog sich auseinander und ich hatte nicht mehr ständig den Atem eines anderen Läufers im Nacken. Wir stiegen immer höher hinauf, bis der erste Pass schließlich überwunden war und wir nach unten zur ersten Kontrollstation Grasgehren bei KM 19 liefen. Das Piepen der Zeitmatten war wie Musik in meinen Ohren, das erste Zeitlimit war überwunden, ich hatte ein komfortables Polster, jetzt konnte ich es etwas ruhiger angehen lassen.   Etwa zu diesem Zeitpunkt startete Anja ihren Halbmarathon unten in Sonthofen. Das Wetter war angenehm, die Sonne schien… perfektes Laufwetter. Der Halbmarathon hatte es mit 200 Höhenmetern, die sich hauptsächlich auf einen einzigen Anstieg von ca. 1km Länge konzentrierten, ebenfalls in sich. Trotzdem meisterte Anja die Strecke bravourös – mit 1 Stunde und 53 Minuten blieb sie trotz Anstieg und relativ entspannter Vorbereitung nur knapp über ihrer Halbmarathon-Bestzeit und bewies einmal mehr ihre herausragende Form in dieser Saison – was sich auch in der Ergebnisliste zeigte: Platz 35 von 169 Frauen! J   Ich lief unterdessen weiter in den Bergen. Es passierte ca. 1 Kilometer nach der Kontrollstation. Ich war beschwingt, dass es nun besser ging, genoss die schöne Landschaft um mich herum und hatte Spaß auf den Trails, war einen Moment unaufmerksam und knickte mit dem linken Knöchel um. Scheiße! Ich blieb stehen, um den Schaden abzuschätzen. Ich konnte zuerst nicht auftreten, doch nach kurzer Zeit schon wieder ein paar Schritte humpeln. Zum Glück standen nur ca. 200 Meter weiter zwei Sanitäter, die ich nach Eisspray fragte. Sie hatten keines und schienen davon auszugehen, dass ich das Rennen abbrechen wollte. Was? Sie wiesen mich an, kurz zu warten, weil sie sich noch um einen anderen Läufer kümmern mussten, der ebenfalls umgeknickt war und weitaus schlimmer dran war als ich. (Später traf ich ihn im Zielbereich wieder, er hatte bereits einen OP-Termin für den nächsten Tag…). Aber ich wollte nicht aufhören, ich konnte doch nicht nach schon 20 km aufhören! Ich war den Tränen nahe. „Jungs Fräulein, Sie haben noch 50 km vor sich!“ Die Sanitäter waren nicht begeistert von meinem Wunsch, weiterzulaufen, nahmen mir die Entscheidung jedoch nicht ab. Ich sah einen Läufer nach dem anderen an mir vorbei ziehen und wusste, dass ich mich schnell entscheiden musste, da ich bereits jetzt ziemlich am Ende des Feldes war. Ich konnte den Fuß wieder belasten, er fühlte sich instabil an, aber es war zu ertragen. Der Schmerz der Enttäuschung, hier aufhören zu müssen, wäre viel schlimmer gewesen. Und so zog ich weiter, mit dem Versprechen an die Helfer, an der nächsten Verpflegungsstation in 6 km auszusteigen, wenn es nicht mehr ging.   Am Anfang ging ich, dann konnte ich wieder laufen. Eine Weile war alles gut. Doch dann, ca. 1km später, gingen die Probleme los: es folgte ein steiler und rutschiger Abstieg, den ich mich mühselig und unbeholfen in einer gefühlten Unendlichkeit hinunterbewegte. Weitere Läufer überholten mich, während ich innerlich fluchte und weiter kraxelte. Meine Stimmung war auf dem absoluten Tiefpunkt, als ich schließlich die Wasserstation ganz unten erreichte. Von dort aus ging es endlich wieder flach weiter, auf einer breiten Forststraße, und es gelang mir, wieder ein paar Plätze gut zu machen. Das baute mich wieder auf. So sehr, dass ich, als wir die Grenze nach Österreich überschritten, wo die nächste Verpflegungsstation auf uns wartete, gar nicht mehr ans Aufhören dachte.   Nach einer kleinen Stärkung ging es weiter, in das schöne Kleinwalsertal und dann auf der anderen Seite wieder hinauf. Dieser Abschnitt fiel mir trotzt kurzzeitiger Krämpfe im Oberschenkel leicht, ich konnte noch ein paar Läufer überholen und lief dann ein paar Kilometer mit 2 Freunden aus Nürnberg und Ulm, mit denen ich mich gut unterhielt. Wir trafen viele Wanderer, die klatschten und uns anfeuerten – die Stimmung wurde immer besser. Ein Marathon war bereits geschafft. Ich ließ die beiden Freunde hinter mir und holte noch ein paar weitere Teilnehmer ein, die mich jedoch beim nächsten Abstieg wieder einsammelten. Es war ein mühseliger und technisch anspruchsvoller Weg hinunter Richtung Oberstdorf. Es war zermürbend, ich hatte zu große Angst, zu stürzen oder wieder umzuknicken.   Doch schließlich waren wir wieder auf einem flachen Abschnitt unterwegs und ich holte wieder auf, was mir einen neuen Motivationsschub gab. Nach 49 Kilometern und ca. 2000 Höhenmetern erreichten wir die Skiflugarena in Oberstdorf, wo der nächste Kontrollpunkt und Verpflegung auf uns warteten. Hier gab es für die Ultraläufer die Möglichkeit, das Rennen offiziell zu beenden, mit Medaille und Wertung. Doch daran dachte ich mittlerweile nicht mehr. Fast 50km waren geschafft, es lagen nur noch 20 km und ein letzter Anstieg vor uns. Klar, viele hatten mich vor dem Sonnenkopf gewarnt, dass es hart werden würde, doch wie schlimm konnte es schon werden? Die Antwort war: schlimmer als alles, was ich vorher beim Laufen erlebt habe. Aber davon wusste ich zum Glück ja nichts. Zunächst führte die Strecke auf einem breiten Pfad nach oben und es gab auch vereinzelte flache Abschnitte, die sich gut laufen ließen. Wir passierten eine Alm mit Verpflegung, dann wurde der Weg anspruchsvoller und steiler, steinig mit kleinen Wasserläufen und einer Hängebrücke, bis schließlich ein schmaler Trail kam, der mit Wurzeln und Steinen gespickt war und links sehr steil abfiel. Ein Albtraum. Ich musste höllisch aufpassen, keinen falschen Schritt zu machen, was mir zu diesem Zeitpunkt mental sehr viel abverlangte. Doch irgendwann war auch das geschafft und es ging weiter nach oben. Noch war es erträglich. Es folgte noch eine Wasserstation, an der ich einen Mitläufer fragte, wo genau der berüchtigte Sonnenkopf war. Er deutete auf einen Gipfel viel zu weit über uns und meinte „Zwei Kilometer, größtenteils senkrecht…“ Er lachte nicht und er hatte leider Recht. Es wurde nun richtig steil und technisch schwierig, mit Stufen, die zwischen Wurzeln in die Erde getreten waren. Ich bohrte meine Stöcke in die Erde und zog mich daran hoch, Meter um Meter. Nach jeder Biegung erwartete ich, den Gipfel zu sehen, doch nach jeder Biegung kamen nur noch mehr Wurzeln und Erde, Wurzeln und Erde… Es war brutal. Für den letzten Kilometer zum Gipfel brauchte ich 33 Minuten. Doch dann hörte ich endlich den Jubel der hartgesottenen Helfer über mir, die auf dem zugigen Gipfel ausharrten und jeden Läufer frenetisch begrüßten. Geschafft!   Ich trank ein bisschen Cola und sah mich um. Die Aussicht war wirklich atemberaubend, leider hatte ich keine Kamera mitgebracht. Viel Zeit blieb mir sowieso nicht, denn mit Schrecken stellte ich fest, dass ich bereits 10 Stunden und 45 Minuten unterwegs war. Eigentlich wollte ich zu diesem Zeitpunkt schon fast im Ziel sein. Die arme Anja, die dort warten musste…. Die letzten 9 Kilometer gingen nur noch bergab, hatten es aber in sich. Der erste Abschnitt war abschüssig und steinig, wieder kroch ich langsam hinunter. Dann ein Schotterweg, eine richtige Straße, über Kuhweiden immer weiter runter… An einer Verpflegungsstation machte ich noch ein Foto mit meinem freundlichen Mitläufer Uwe, dem ich auf den letzten Kilometern immer wieder begegnet war. Die letzten 5km, dann 4, 3….   2 Kilometer vor dem Ziel gab es noch einen letzten Becher Wasser, dann liefen wir durch ein Dorf, an einem Bach entlang und dann endlich, das Ziel!   Mit 12 Stunden und 12 Minuten habe ich deutlich länger gebraucht, als erwartet, die Strecke war aber auch schwieriger als erwartet. Vielleicht wäre ich ohne meine Knöchelverletzung schneller gewesen, vielleicht aber auch nicht… leider schwoll der Fuß danach an, sodass ich die nächste Zeit erst Mal aufs Laufen verzichten muss. Aber das war es mir wert. Ich hatte ein gutes Gefühl und bin nicht böse eingebrochen am Ende. Ich habe unterwegs viele tolle Menschen kennengelernt und einiges an Erfahrung dazu gewonnen. Anja und ich hatten eine schöne Zeit im Allgäu und werden sicher wieder hinfahren!   Oscar Wilde hat Recht. Am Ende wird alles gut :)     An dieser Stelle noch ein riesengroßes Dankeschön an Anja, die trotzt ihrer Superleistung beim Halbmarathon stundenlang im Schwimmbad und im Ziel auf mich gewartet und das Abendessen organisiert hat – Danke Anja!!   Und ein zweites riesengroßes Dankeschön an Dany, die mich während der Vorbereitung bei meinen ganz langen Läufen auf dem Rad begleitet hat – vielen Dank, auch fürs Daumendrücken!! :)   -- Ende --