Glasgow to Edinburgh Ultramarathon (55 miles) -01.04.2017-

gelaufen und berichtet von Johannes Arens



Nach langer, teils verletzungsbedingter Wettkampfpause – seit August, genaugenommen – konnte ich mich nun endlich wieder ins Wettkampfgeschehen stürzen. Und mit dem „Glasgow to Edinburgh“ („G2E“) stand auch gleich mein erster Ultramarathon auf dem Programm!

 

Schon seit längerem hatte ich mich mit Plänen getragen, Strecken jenseits des Marathons auszuprobieren. Der „Glasgow to Edinburgh“ passte mir da genau ins Konzept. Das Rennen startet quasi vor meiner Haustür in Glasgow, führt über eine schöne Strecke entlang eines alten Schifffahrtkanals, und die Streckenlänge von 87 km war wie gewünscht deutlich länger als ein Marathon, aber eben auch noch nicht zu extrem.

 

Leider war mein Wintertraining (Mal wieder) deutlich zu umfangarm, bedingt teils durch Stress im Studium und bei Bewerbungen, teils durch kleinere Verletzungen, und teils – das muss ich mir wohl eingestehen – auch durch Unlust, verursacht vor allem durch das nasskaltdunkle schottische Winterwetter. Im März waren es zwar immerhin 400 km, im Februar aber nur gut 200, und im Januar gar nur 110 km. Mit solchen Umfängen in der Vorbereitung sind Spitzenzeiten natürlich unmöglich. So musste ich alle hoch fliegenden Zeitziele begraben, und nahm mir stattdessen einen bescheidenen 5min-Schnitt vor, was auf eine Zeit von 7:15 hinausgelaufen wäre. Idealerweise würde das für einen Treppchenplatz genügen.

 

Meine Freundin Lorna begleitete mich zum Start, wo wir uns zu den ca. 120 Läufern und ihren Begleitungen gesellten. Schon bei der Startaufstellungen bestätigte sich das Gerücht, dass Ultraläufer ihre Wettkämpfe deutlich weniger verbissen angehen als die Kollegen von den kürzeren Strecken: niemand drängelte sich nach vorne, es schien geradezu, als wolle niemand in die erste Reihe, und das, obwohl es 10m nach dem Start in eine enge Unterführung ging. Ich platzierte mich also vorn, und erwartete den Startschuss zu meinem ersten Ultra.

 

Von Anfang an bemühte ich mich um ein moderates Tempo. Ein Läufer war vom Start weg wie vom vergifteten Affen gebissen enteilt – wie sich später herausstellte, war er bewusst auf der Jagd nach dem Streckenrekord (6:18 h). Ein weiterer Konkurrent enteilte etwas weniger schnell, dahinter fand ich mich in einer Verfolgergruppe von 5-6 Mann.

 

Nach einem Marathon kann ich im Rückblick meinen Rennverlauf fast minuten- und kilometergenau wiedergeben. Beim Ultra scheinen, im Rückblick, die kleinsten rückblickend wahrnehmbaren Einheiten eher Stunden und 10km-Blöcke zu sein... Also: Die ersten ein oder zwei Stunden gingen locker dahin. Ich lief möglichst direkt hinter anderen Läufern, um gar nicht ans Tempo denken zu müssen. Irgendwann kam ich mit einem anderen Läufer, Graham – dem späteren Drittplatzierten – ins Gespräch, und wir plauderten für eine ganze Weile. Auch das ist beim Ultra kein Problem, da die Atmung ja praktisch kein Faktor ist. Beim zweiten Checkpoint, nach 36 km, verlor ich beim Nachfüllen meiner Wasserflaschen etwas Zeit, und lief dann Graham eine gute Stunde lang hinterher. Immerhin hatte ich inzwischen, ganz ohne das Tempo zu forcieren, inzwischen schon wieder einige Konkurrenten eingesammelt, und fand mich nun schon auf Platz vier wieder. Mit acht Minuten Vorsprung auf die geplanten Zwischenzeiten lag ich auch zeitlich gut im Plan.

 

Der Wetterbericht hatte im Vorfeld nicht gut ausgesehen, aber am Wettkampftag hatten wir durchweg großes Glück: Es fiel kein Tropfen Regen, und auf der zweiten Hälfte des Rennens habe ich mir sogar einen leichten Sonnenbrand geholt – lustigerweise nur auf einer Seite, da es im Wesentlichen immer geradeaus nach Osten ging, während die Sonne (naturgemäß) immer von Süden her schien.

 

Nicht nur die Streckenlänge war für mich neu, es war auch mein erstes Rennen mit Rucksack. Ich hatte, der vorgeschriebenen Liste gemäß und aus Sorge vor den angekündigten Kontrollen, u.a. eine Regenjacke, eine (superdünne) Kunststoff-Wärmedecke und eine Stirnlampe eingepackt, musste dann aber feststellen, dass viele Konkurrenten, angesichts ihrer extrem kleinen Rucksäcke, unmöglich all dieses Zeug dabeihaben konnten. Nächstes Mal gehe ich auch leichter an den Start! Zudem war ich, in Erwartung schlechteren Wetters, auch noch deutlich zu warm angezogen. Weiterhin stellte sich heraus, dass, anders als angekündigt, an den Checkpoints eben doch auch Essen gereicht wurde, sodass ich auch unnötig viele Fressalien dabei hatte, die sich zudem teils als wettkampfuntauglich erwiesen (u.a. Brötchen). Aber das will eben alles gelernt sein, und letztendlich können auch die schlauesten Ratschläge von den besten Läufern eigene Erfahrungen nicht ersetzen.

 

Man sieht: Die äußeren Umstände – Wetter, Gepäck, Verpflegung – lassen sich gut beschreiben, zum Rennen selbst kann man, trotz (oder wegen?) seiner Dauer nicht so furchtbar viel schreiben... Man setzt eben stundenlang einen Fuß vor den anderen... Um einen herum reizvolle Landschaften, neben einem die wohltuende Monotonie des Kanals, mit zahlreichen Brücken und Schleusen, die sich bestens als kleine mentale Zwischenziele eignen („erstmal bis zur nächsten Brücke, dann sehen wir weiter...“).

 

Das prägende Merkmal eines Ultras – so scheint es mir jedenfalls jetzt im Rückblick auf meinen ersten – ist, dass sich letztendlich alles um die Müdigkeit und Schmerzen in den Beinen dreht. Die Atmung ist kein Problem, der Puls ist nicht besonders hoch, das Tempo ist niedrig genug, um halbwegs bequem essen und trinken zu können – alles hängt also nur von den Beinen ab, und die werden von Stunde zu Stunde müder und müder, und wollen irgendwann einfach nicht mehr, und müssen doch immer weiter getrieben werden. Nach ca. 30 km waren sie schon merklich müde (da macht sich der mangelnde Trainingszustand bemerkbar, in Normalform sollten 30km im 5er-Schnitt kein Problem sein), und besser wird es dann natürlich nicht mehr. So waren denn die letzten 2-3 Stunden doch eine arge Beintortur. Zusätzlichen Schub gab allerdings die Aussicht auf eine exzellente Platzierung, denn zunächst überholte ich ca. bei km 60 Graham wieder, und dann fand ich mich ab km 67 sogar völlig überraschend auf Platz 2 wieder: Der flotte Führende war einfach ausgestiegen, nachdem der Streckenrekord nicht mehr in Reichweite lag. So rang ich die letzten km meinen Beinen auch noch irgendwie ab, und beendete den G2E nach 7:25:57 h als Gesamtzweiter. In Anbetracht der Umstände (mangelhafter Trainingszustand etc.) bin ich mit meinem Ultra-Debüt vollauf zufrieden. Ich habe eine gute Platzierung erreicht, bin unverletzt und ohne Einbrüche durchgekommen und habe viele Erfahrungen gesammelt, was z.B. die Verpflegung oder die Ausrüstung angeht. Das nächste Mal (wann auch immer das sein wird) kann dann hoffentlich die Zeit noch mehr im Fokus stehen. Ein 100er unter 7:30, das wäre doch ein gutes Ziel?!

 

Anschließend ging es dann noch mit Lorna ins Musical „Chess“. Von dem Anblick, den ich geboten haben muss, als ich nach längerem Sitzen die Treppen im Theaterraum erstieg, wollen wir lieber schweigen...

 

An dieser Stelle auch nochmal vielen Dank an die Abteilung für die Ehrung als „Sportler des Jahres 2016“!

 

Die Ergebnisse des „Glasgow to Edinburgh“ Ultramarathons:

http://resoluteevents.co.uk/g2e-results-2017/