Zugspitz-Ultra-Trail -16.06.2018-

Mit dem Zugspitz-Ultratrail (ZUT) stand am 16.06.18 mein vorläufiges Saisonhighlight vor bevor.

12 Wochen intensive Trainingsvorbereitung sollte ihren Höhepunkt bei einem Lauf rund um das Wettersteingebirge finden. Hier sollte sich zeigen, ob sich die langen, Läufe, Videos, Training des Stockeinsatzes, Nachtläufe, Läufe mit Rucksack, Fahrtenspiele, Steigerungsläufe, Tempodauerläufe, Intervalle mich ausreichend auf die 101,9 km und 5500 hm ausreichend vorbereiten konnten.

Die Anreise erfolgte am Vortag. Nachdem ich meine Freundin und ihre Mutter eingepackt hatte, ging es am Nachmittag nach Grainau, wo sich Start und Ziel des Ultratrail befanden. In der Kurverwaltung Grainau holte ich gegen 19 Uhr meine Startunterlagen ab. Obwohl ich die "Flexrate" für einen Aufpreis von 10€ gebucht hatte, man kann ja nie wissen, war ich mir meiner Sache absolut sicher. Die knapp 102 km sollten es werden. Ich hatte 2x 40km, einen 50, 60, 70 km in der Vorbereitung absolviert, alle ohne größere Probleme. Die einzige Unbekannte waren die vielen Höhenmeter. Die allerdings wollte ich wandern, mich dabei auf meine Stöcke stützen. Die unzähligen Einheiten am Schwanberg würden mir schon geholfen haben.

Dabei begegnete ich Dominik und seinem Laufpartner. Dominik hatte ich schon beim Tauber 100 kennen gelernt und so war ich erfreut, mich kurz mit ihm über die zurückliegende Vorbereitung auszutauschen.

Für eine faire Startgebühr bekam ich neben einem Salomon Rucksack noch eine Taschenlampe, ein Salomon-Tuch und einen 20€ Gutschein von Sport Conrad, den ich sogleich umsetzen wollte.

Sehr viele LäuferInnen deckten sich kurz vor dem Briefing noch mit notwendiger Ausrüstung ein. Ich war bezüglich meiner Regenjacke unsicher. Ich wählte ein kompakt faltbares, atmungsaktives und wasserdichtes, neues Modell. Leider brach die Verbindung des Zahlungssystems immer wieder ab. Ich begann nervös zu werden. Das Briefing rückte immer näher und ich saß mit zwei Dutzend LäuferInnen in dem improvisierten Laden fest. Irgendwann hat es dann doch geklappt und letztlich hatte ich nur ein paar einleitende Interviews mit Topathleten verpasst. Pasta futternd lauschten wir den zweisprachigen Ausführungen des Veranstalters.

Zurück im Hotel musste das neue Kleidungsstück in den Rucksack gepackt werden. Sie fand dank kompakter Faltmaße neben Regenhose, 3/4 Lauftight, Stirnlampe, faltbaren Stöcken, GPS-Handgerät, 2 Sätzen Batterien, Powerbank, Erste-Hilfe-Set, Mobiltelefon, Energieriegeln und 3 Softflasks à 500 ml noch gut Platz. Der erhaltene Rucksack fungierte als Dropbag. Hinein kam ein Paar Ersatzschuhe (Hoka One One Challenger ATR 4), Ersatzsocken, für die Nacht ein  langärmeliges Funktionsshirt, eine mit Tailwind-Pulver vorbefüllte Trinkflasche, zusätzliche Energieriegel und ein weiteres Stirnband für den Wechsel bei VP5 (VP=Versorgungspunkt).

Die Nacht im Wellnesshotel verlief ruhig. Ich konnte tief und fest, wenn auch zu kurz, schlafen. Ich würde zurückblickend sagen, dass ich in der letzten Woche vor dem Start des Ultratrail vielleicht doch zu wenig Schlaf abbekommen habe. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass das den Ausgang des Rennens negativ beeinflusst hat. Am ZUT interessierten Läufern kann ich nur ans Herz legen, sich rechtzeitig um eine Unterkunft in Grainau zu kümmern. Grainau bietet sich an, da von dort aus ein Shuttlebus zu den jeweiligen Startorten zentral organisiert ist.

Nach einem leckeren, hastigen Frühstück ging es in den Startbereich. Dort waren genaue Kontrollen der Pflichtausrüstung angekündigt. Ich fürchtete schon, den mühsam gepackten Rucksack auseinander zu nehmen und neu packen zu müssen. Den Kontrolleur konnte ich schließlich durch penible Aufzählung meiner Ausrüstungsgegenstände davon abbringen. Meine Befürchtung trat also nicht ein.

Die Temperaturen waren angenehm, die Wetteraussichten bestens. Bei so reizender Begleitung fiel mir das Warten auf den Startschuss nicht schwer. Die Wartezeit wurde von einem Alphornbläser noch vertrieben. Als der Startschuss fiel, war meine GPS Uhr noch nicht bereit. Das Laden der umfangreichen Daten der Strecke dauerte wahnsinnig lange! Ich startete als einer der letzten 3. Ich versuchte, diesen "Fehlstart" als positiv zu betrachten, auf diesem Wege würde ich mich durch das Feld vor arbeiten, das ist sehr motivierend.

Aber erst einmal stak ich im langgezogenen Feld bergan fest. Meine Stöcke ließ ich zunächst noch im Rucksack. Durch das langsame Wandern bergan war mein Puls im absolut grünen Bereich und trotzdem konnte ich bereits erste Plätze mit wenig Aufwand gut machen. Auf dem Weg zum ersten Verpflegungspunkt ging es über eine Alm nach Hammersbach. Dort ging es Richtung Höllenklamm über einen Wanderweg auf einen Singletrail. Die Sonne schien und schon beschlichen mich erste Zweifel ob meiner Klamottenwahl. Durch ein langärmliges Shirt war ich flexibel, konnte die Ärmel bei Bedarf hoch und runter krempeln. Auf knapp 800 hm war es in den Morgenstunden bereits angenehm warm. Durch die Belastung wurde mir sehr schnell wärmer, als kalkuliert. Ich würde das im Auge behalten müssen und die Abschnitte im Wald zunächst abwarten, bevor ich meine Strategie ändern würde.

Auf dem Weg zum VP1 traf ich Dominik und seinen Begleiter erneut. Wir unterhielten uns dieses Mal etwas ausführlicher und wurden erst durch die Enge des Singletrails getrennt. Ich kam langsam in den Flow und lief mein Tempo. Knie, Oberschenkel und Hüfte blieben beschwerdefrei und steckten die Belastung gut weg. Beflügelt von der Alpenkulisse wurde ich überschwänglich, lief die Bergabpassagen in hohem Tempo. Diese waren gespickt mit Wurzelwerk und Hindernissen. So ganz vernünftig war diese Herangehensweise nicht, aber den Spaß wollte ich mir nicht nehmen. Das ist meine eigentliche Leidenschaft beim Laufen: mühelos in den Flow kommen und auch so lange wie möglich zu bleiben.

VP1 war sehr früh erreicht, nach weniger als 1,5 Stunden. Dort verpflegte ein ortsansässiges Hotel und ich sprach dem Gebotenen reichlich zu. Trotz langem Aufenthalt traf ich Dominik hier nicht wieder, ich sollte noch einige Skipisten herauf und herunter bis zur Gamsalm (VP2) dauern, bis wir uns erneut begegneten. Unmittelbar vor dem VP ging ich den Downhill mit großer Lust und Pace an.

Neben dem Kulinarischen widmete ich mich am VP meinem rechten Fuß. Trotz Gamaschen hatte ich permanent das Gefühl, auf Steinchen im Schuh zu laufen. Hier zeichneten sich Probleme mit Blasen ab, denen ich frühzeitig Einhalt gebieten wollte. 3 Wochen zuvor am Rennsteig waren wunde Füße der Grund, warum ich auf den letzten Kilometern viel Zeit verschenkt hatte und das sollte mir so nicht mehr passieren. Daher ging ich mit einem anderen Schuh an den Start. Doch es half nichts, es rieb einfach an zwei anderen Stellen im Schuh. Letztlich verschlang der Aufenthalt am VP2 die gewonnene Zeit und ich bekam den Eindruck, nachdem Dominik mich hier wieder einholte, dass ich mich besser an ihn hielte, da er eine Zielzeit von 22 h avisierte, was immer noch schneller als meine Zielzeit von 24 h war.

Ab VP2 bin ich ausschließlich mit Dominik und seinem Begleiter unterwegs gewesen. Er verfügte über weit mehr Ultra- und alpine Erfahrung als wir beide und wir unterhielten uns angeregt. Die Zeit verflog darüber und so manche Motivationsdelle haben wir durchgequatscht. Den beiden auf der Strecke begegnet zu sein, bezeichne ich als großes Glück, das ich später noch mit Loyalität zurück zahlen würde.

Während der Weg zu VP2 von den steilen An- und Abstiegen der Skipisten geprägt war, war der Weg nach Ehrwald von der Schönheit der Natur geprägt. Die steil aufragenden, schroffen Wände des Wettersteingebirges und der Zugspitze aus allen Perspektiven prägten das Bild dieses Abschnittes bis zur Pestkapelle. An der Ehrwalder Alm erwartete mich schon meine Freundin. Sie hatte sich mit ihrer Mutter dort postiert und auf mich gewartet.

Wir tauschten uns kurz über den Rennverlauf aus und weiter ging es zur Pestkapelle. Die Gegend hier ist touristisch sehr erschlossen, was in Anbetracht des Idylls verständlich ist.

Nach VP3 an der Pestkapelle wartete der erste alpine Abschnitt. Dazu war zunächst auf gut begehbaren Wegen in Serpentinen Höhe zu machen, bevor es auf den ersten technischen Teil ging. Dort wurde der Untergrund dann schroff, doch zu keiner Zeit ausgesetzt. Zirben prägten das Bild, die Baumgrenze befand sich auf halbem Wege zur Pestkapelle unter uns.

Auch wenn es gefühlt langsam bergan ging und man sich von Menschen umgeben sah, lichtete sich das Teilnehmerfeld nun zusehends. Wanderer waren auf denselben Routen unterwegs, aber das stellte kein Problem dar. Dafür gab es mentale Herausforderungen. Zum Beispiel das Voranschreiten der Renndauer, nicht enden wollende Anstiege. Aber man wurde auch belohnt, durch den freien Blick auf die Alpen südlich des Wettersteingebirges. Die Zugspitze war nun östlich umrundet, nun wurde im Süden weiter gelaufen. Der Abschnitt bis zum VP4 sollte sich über ca. 13 km erstrecken, die meiste Zeit wurde gewandert, dementsprechend lang war man auch unterwegs. Die Aussicht war wirklich beeindruckend und entschädigte mich für das miese Panorama beim verregneten Jungfraumarathon. Mit Schwindel hatte ich ausnahmsweise weniger zu kämpfen, ich konzentrierte mich mehr auf den Untergrund unmittelbar vor mir, Blicke in die Ferne waren nur im Still- und festen Stand erlaubt. Es mussten auch die ersten und einzigen Schneefelder der Tour absolviert werden. Diese Passage war mit einem eindeutigen Hinweis des Veranstalters gekennzeichnet und zusätzlich gesichert.

Über einen Kamm erreichten wir den hächsten Punkt. Rutschend machten wir uns an den Abstieg, es war ein großer Spaß. Leider wurden die Füße dabei feucht gehalten. Wenn ich nicht durch ein Schneefeld rutschte, kreuzte ich viele kleine und größere Rinnsale. Auf einem Abschnitt glitt ich trotz vorsichtiger Vorgehensweise aus und schlug der Länge nach hin. Ich holte mir neben Blessuren am linken Oberschenkel einen Cut in Höhe des linken Wangenknochens. Die Stelle schwoll sofort an. Mein Kopf wurde gehörig erschüttert. Meine Begleiter halfen mir auf und ich musste mich erst einmal sammeln, vorsichtig in mich hinein hören. Ich wollte dort nicht bleiben und setzte meinen Weg noch langsamer und vorsichtiger fort. Ein Mann von der Bergwacht kam uns entgegen und fragte, ob ich Hilfe benötigte, er hätte mich gesehen. Ich war zu diesem Zeitpunkt unsicher, er empfahl mir den Weg langsam und bedacht fortzusetzen, was ich auch tat.

Weiter unten stieß man auf einen Wanderweg, wo sich ein Einsatzwagen der Bergwacht befand. Dort stellte ich mich vor, wurde notdürftig gesäubert und setzte meinen Weg fort.

Der Weg war nun deutlich breiter und nicht mehr rutschig, ein guter Wanderweg. Der erste größere Abstieg über 800 hm lief bis auf den Zwischenfall sehr gut, ich hatte keine Beschwerden in den Schenkeln oder den Knien zu beklagen. Nur die Blasen benötigten gelegentlich Aufmerksamkeit. Dominik schonte sich und sein Knie, er verfolgte mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks seinen Plan.

Wir trafen uns erst am Fuße des folgenden Anstieges am VP4, der Hämmermoosalm, wieder.

Dort verpflegten wir uns ausgiebig. Die Verpflegungspunkte waren übrigens alle sehr gut ausgestattet. Teilweise wurden Pappbecher gereicht, obwohl das Mitführen eines Bechers, in meinem Falle einer weiteren Soft Flask, verpflichtend war. Es wurde eine große Bandbreite geboten, von herzhaft (belegten Broten, Suppe) über Knabbersachen (Nüsse) bis süß (Energieriegeln, Obst, Kuchen). Getränkeseitig waren immer Wasser und Energy vorhanden. Vereinzelt gab es auch Kaffee, Tee, heiße Schokolade.

Wenn man sich das Höhenprofil des Laufes ansieht, wird man feststellen, dass es drei wesentliche Anstiege, 2 mit ca. 800 und einen mit 1000 Höhenmetern zu überwinden galt. Nach VP4 erfolgte der zweite Anstieg. Dies sollte sich für mich als der mental schwierigste Teil des Rennens heraus stellen. Ich fiel immer wieder zurück, weil ich  ständig vor Schmerzen meine Schuhe prüfte. Es war frustierend. Dazu kamen verschiedenen kleinere körperlichen Gebrechen. Der Magen fühlte sich flau an, obwohl ich Hunger hatte, ein Druck lastete auf meinem Kopf, bei dem ich nicht klar zuordnen konnte, ob er von dem Sturz her rührte. Eine Gehirnerschütterung hätte natürlich das Aus bedeutet. Obwohl die Umgebung reizvoll war, konnte ich es nicht mehr genießen. An einem Punkt war ich dem Ausstieg sehr nahe, ich sah die Bergwacht campieren und wollte mich dazu gesellen, als ich realisierte, dass ich den Gipfel des zweiten Anstiegs geschafft hatte. Als nun noch Dominik und sein Begleiter auf mich gewartet hatten wurde mir augenblicklich leichter ums Herz. Ich setzte mich kurz auf eine Bank, schöpfte neuen Mut. Dennoch brachte mich mein Körper dazu, meine Ziele zu überdenken.

Ich wollte nun zunächst den nächsten VP erreichen und sehen, wie es mir ging. Vor allem im Hinblick auf die Kopfschmerzen. Nach kurzer Rast fühlte ich bereit für den Abstieg.

Nach einer zunächst technischen Passage ging es in einer wilden Jagd eine Alm bergab. Insgesamt konnte man es sehr gut Laufen lassen. Beschwingt jagten wir einander und Dominik hielt über eine lange Strecke gut mit! Wir lagen nach genau der Hälfte des Rennens auf Zielzeit von 22 Stunden und hatten einen komfortablen Vorsprung von 2:20 h auf die Cuttoff-Zeit heraus gelaufen. Tückisch waren vereinzelte Steine auf dem Singletrail und Bodenwellen. Just trat eine Läuferin aus Fürth vor uns ins Leere und fiel vornüber auf das Gesicht. Glücklicherweise tat sie sich nichts, auch die Nase war noch dran. :-)

Der Abstieg schien nicht enden zu wollen, nach der Passage die Alm hinab ging es in Serpentinen durch einen Wald, dem VP5 entgegen. Dominik hing gegen zu dem Zeitpunkt wegen sehr vorsichtiger Laufweise auf Grund beginnender Beschwerden im Knie erneut etwas zurück. Weil der ausgedehnte alpine Part jetzt vorüber war, sehnte ich mich nach den Annehmlichkeiten der Verpflegungsstelle, trockenem Schuhwerk und frischen Socken. Meine Freundin und mein Dropbag sollten dort auf mich warten.

Nach einem kurzen medizinischem Check und fürsorglicher Betreuung durch meine Freundin gestärkt, setzte ich mir VP6 als nächstes Zwischenziel. Ich hatte 3 von 4 großen Anstiegen geschafft und wollte mir nun die zwei vermeintlich leichtesten Abschnitte in der Ebene nicht entgehen lassen. Daher konnte es nach rund 10 Minuten weiter gehen, wir haben uns generell nicht allzu viel Zeit in den Verpflegungspunkten gelassen (wenn meine Aufzeichnungen stimmen ca. 44 Minuten).

Ab dem Hubertushof (VP5) folgte also ein kurzer Abschnitt in der Ebenen nördlich von Leutasch. Das Wettersteingebirge lag nun nördlich und war an der Stelle besonders steil aufragend und imposant. Zunächst ging auf einen gekiesten Radweg, später auch für wenige Kilometer an der Straße entlang, wo uns meine Freundin mit dem Auto kurz abpasste.

Ich fühlte mich deutlich besser, kein Vergleich zu dem schwierigen Aufstieg oder der Hatz bergab. Die Füße waren trocken und die Druckstellen dank der gewechselten Schuhe auch entlastet. Der Druck auf dem Kopf war seit VP5 vergangen verschwunden und mein Magen seit dem Aufstieg deutlich ruhiger. Nach dem erklommenem Gipfel vor VP5 dachte ich zu keinem Zeitpunkt mehr an Ausstieg und das führe ich auf das Gruppenerlebnis und die insgesamt schonende Herangehensweise an den Lauf zurück. Wir verabredeten uns also erneut für VP6.

Der Weg dorthin war einfach zu bewerkstelligen. Wir hatten unser Tempo wirklich sehr vernünftig gestaltet und waren dennoch im Zielkorridor. Die Probleme mit Dominiks Knie verschärften sich nach VP6. Mein insgeheimes Ziel VP7 am Ferchensee noch bei Tageslicht zu erreichen haben wir nicht ganz geschafft, wir konnten zwar die Lampen abschalten und am See im Restlicht Laufen/Gehen, mussten sie aber in den Passagen im Wald bereits aktivieren. Ab dem Ferchensee war an ein Laufen nicht mehr zu denken. Dominiks Knie machte in der Ebene und bei Gefälle komplett dicht. Es war frustrierend zu sehen, wie langsam wir vorwärts kamen und unser Vorsprung auf die Cutoff-Zeit dahin schmolz. Wir näherten und verließen die Umgebung um Schloss Elmau im gefühlten Schneckentempo. Ich gebe zu, dass ich versucht war, die Gruppe zu verlassen, aber das erschien mir so illoyal und unkameradschaftlich, dass ich weiter dabei blieb. Während wir das Ziel 22 h (im Übrigen die Qualifikationszeit für den Western States Endurance Run ;-) ) zu Grabe trugen, waren die 24 h immer noch drin.

Wehrte sich Dominik noch zunächst dagegen, die Stöcke seines Begleiters zu nutzen leuchtete spätestens beim Abstieg zum VP8 ein, dass die Stöcke eine Entlastung brachten. Ich hatte die meinen ebenfalls zur Entlastung meiner gemarterten Fußsohlen eingesetzt. Kurz vor VP8 an der Partnachalm führte ein Weg zu einem Shuttle, dass Abbrecher nach Garmisch und in die übrigen Startorte zurück fuhr. (die unterschiedlich langen Läufe Basetrail, Basetrail XL, Supertrail, Supertrail XL und Ultratrail starteten rund um das Wettersteingebirge verstreut). Für den Kämpfer Dominik kein Thema. Bevor es ab der Partnachalm an den letzten Anstieg gehen sollte, wollte ich mich für die Kälte der Höhe und der Nacht gut einpacken. Die dazu notwendigen Sachen hatte ich aus dem Dropbag in den Rucksack gepackt. Dazu gehörte die ¾ Lauftight, die mich zusammen mit den Beinlingen ausreichend an den Beinen schützen sollte. „Oben herum“ trug ich mein bekanntes langärmliges Laufshirt, mein T-Shirt, ein legeres, langärmliges Funktionsshirt und die neue Wind- und Regenjacke. Macht vier Lagen… und die waren absolut notwendig, da wir auf generell langsam unterwegs waren und da es bei diesem Anstieg auf 2000 m zur Bergstation Alpspitzbahn ging. Dieser Anstieg teilte sich auf in einen Singletrail, der sehr schlecht zu begehen war. Im Schneckentempo ging es in Serpentinen einen furchtbar ausgewaschenem Weg hinauf. Die Dunkelheit war dank des Zusammenhalts der Gruppe kein Problem, die Begehbarkeit dieses Abschnitts stellte mich mit meinen „Fakirsohlen“ vor argen Herausforderungen. Meine Begleiter konnten die Passagen bergan gut absolvieren. Diese zogen sich endlos dahin, gute 1,5 Stunden dürften uns diese Passage gekostet haben, bis wir eine gekieste Forststraße erreichten. Nach einem weiteren Kilometer gelangten wir an den heiß erwarteten VP9, die Hochalm. Hier konnte man bereits den Sonnenaufgang am Horizont „erahnen“. Wir verweilten dort kurz, eine Suppe und eine heiße Schokolade später konnten wir den verbleibenden Anstieg in Angriff nehmen. Unsere Gruppe hatte sich seit Verlassen des Trails vergrößert, unser Begleiter sollte noch bis VP10 bei uns bleiben.

Vor dem verbleibenden Anstieg fürchtete ich mich nicht. Ich fühlte mich gestärkt und der Weg war gut begehbar. Meine Füße schmerzten, egal auf welchem Untergrund. Ich grüßte jede Bergwacht und bedankte mich. An der Bergstation Alspitzbahn fühlte ich mich ausgelassen. Ich hoffte, hier etwas schneller bergab zu gehen, aber das schwierige alpine Gelände, meine Füße und Dominiks Knie ließen das nicht zu. Einmal sammelten wir immer mehr Begleiter, die uns nicht überholten wollten, wann immer wir es ihnen anboten. Ich denke, dass die Gruppe hier zusätzlich Sicherheit bietet, da es im Gelände immer zu Zwischenfällen kommen kann. Dieser alpine Abstieg konfrontierte mich mit meiner Höhenangst, die meistens kein Problem ist, solange ich sicheren Stand habe. Abstieg fühlt sich für mich wie kontrollierter Fall an. Aber es gibt keine Alternative. Du senkst den Kopf und gehst da durch. Und wirst auch belohnt, zum Beispiel mit einem atemberaubenden Sonnenaufgang in den Bergen. Wer kann schon von sich behaupten, um halb fünf Uhr morgens an der Alpsitzbergstation gewesen zu sein, wenn noch keine Gondeln fahren? ;-)

Der alpine Part mündet in einen ebenen Abschnitt für ca. 1,5 km bevor es zum letzten Verpflegungspunkt, den VP10 am Einstieg in den Jägersteig, geht. Eine letzte Rast, eine kurze Unterhaltung mit der Crew, junge und engagierte Burschen, bei denen ich mich artig bedankte.

Vor dem Jägerstieg war ich vorgewarnt. Ich hatte mich auf das Rennen unter anderem mit Filmmaterial des berüchtigten Abschnitts versorgt. Hier liegt wohl einer der größten Knackpunkte des Rennens. Stolpert und fällt man hier bei hoher Geschwindigkeit bergab, kann das Folgen für die Sehnen oder Knochen haben. Und der vereinzelt rutschige Untergrund oder auch das Wurzelwerk wiegen den fitten Downhill-Runner in falscher Sicherheit. Für uns stellte sich die Frage zunächst nicht. Wir gingen den Abschnitt, wie den alpinen Part vorsichtig an und kalkulierten dabei die Ankunftszeit. Ein Finish in 24 Stunden würde zunehmend knapp werden. Dazu müsste man sich „normal“ bewegen und nicht in der Geschwindigkeit, die wir an den Tag legten. Während wir uns vorsichtig abwärts bewegten verließen uns unsere Begleiter endgültig. Ich wollte mein Glück ebenfalls probieren und weiter unten auf Dominik warten. Der „forcierte Abstieg“ gelang erstaunlich gut. Da ohnehin jeder Schritt gleich weh tat, war die größere Schrittweite für dieselbe Strecke eine Wohltat. Ich holte tatsächlich unseren Begleiter ein und wir warteten gemeinsam auf Dominik, der sich vorsichtig bergab stockte. Dieses Vorgehen wiederholten wir noch zwei Mal, dann hatten wir das Ende des brachialen Abstiegs am Fuße des Berges erreicht.

Die 24 Stunden waren inzwischen vergangen. Insgesamt brauchten wir für den letzten Abschnitt ziemlich genau 2 Stunden, was ca. 45 Minuten langsamer ist, als ich geplant hatte. Das war dann auch ca. die Zeit, die wir über 24h lagen. Die Kalkulation ging bis auf den letzten Abschnitt genau auf. Ab dem Jägersteig sind wir wirklich oft überholt worden, ich denke wir verloren ca. 40 Plätze. Ich bin dennoch sehr zufrieden. Das Knie und die Füße haben gehalten und das zählt. Auch war die Abbrecherquote mit ca. einem Drittel sehr hoch, was mich in Anbetracht der Strecke sehr überraschte. Es war ein einmaliges Gruppenerlebnis, das mich beflügelt hat und zum Durchhalten animiert. Ich hoffe, ich konnte etwas zurückgeben.

Von Ausgang Jägerstieg waren es noch 2 ebene Kilometer ins Ziel, die wir leider auch zu gehen gezwungen waren. In Grainau angekommen nahmen wir viele von Kindern gemalte Schilder war. Das fand ich sehr nett. Die Freude über das gemeinsam Erreichte war groß, noch größer war aber die Erleichterung und die Wiedersehensfreude mit meiner Freundin im Ziel. Ich konnte die Steine, sich vorher noch in meine Füße bohrten, sprichwörtlich von ihrem Herzen fallen hören. ;-)

Ob ich den ZUT noch einmal laufe, kann ich zum heutigen Zeitpunkt noch nicht definitiv sagen. Obwohl der Lauf an sich gut organisiert war, fair bepreist ist und mich gerne der Herausforderung stelle und meine Zeit verbessern möchte, schreckt vor allem meine Füße das Terrain. Ich werde zunächst daran arbeiten, die Highlights der kommenden zwei Jahre stehen ohnehin schon fest und da ist kein Platz für ein erneutes Stelldichein beim ZUT. Ich denke, es gibt viele schöne Gegenden, bei uns oder anderswo, die man sich laufend erschließen kann.