Ultramarathon Tauber100 -06.10.2017-

von Bernd Wiegand

Der Tauber 100 ist bestens organisiert. Anmeldung und Briefing finden in demselben Hotel statt, die Wege sind kurz. So war es dann auch kein Problem, dass meine reizende Begleitung und ich am Freitag nach der Arbeit erst kurz vor dem Briefing um 17 Uhr eingetroffen sind. Völlig unkompliziert konnte ich über den direkten Kontakt mit Hubert Beck Änderungswünsche des umfangreichen Optionspaketes dieses kompletten Laufwochenendes äußern.

Ein Highlight, welches ich mir vor meinem bisher längsten Lauf, der 100 km-Strecke nicht entgehen lassen wollte, waren die Vorträge von Michele Ufer, einem Motivationstrainer und Florian Reus, Weltmeister im Ultralauf und Spartathlon Gewinner im Jahre 2015. Von diesen möchte ich euch berichten.

Auf die Kartoffelparty im Hotel folgte der Vortrag von Michele Ufer. Der Mann hat es als unbeschriebenes Blatt in nur 3 Monaten Vorbereitungszeit geschafft, den 4-Deserts Lauf durch die Atacama-Wüste zu absolvieren. Ich war zunächst skeptisch, dennoch war mein Interesse in Anbetracht dieser Leistung geweckt. Als Sportpsychologe verriet er etwas über seine Strategien zur mentalen Vorbereitung, die ich euch weitergeben möchte, denn wer kennt ihn nicht: den Mann mit dem Hammer.

Zielmanagement: Ein altbewährtes Rezept ist es, sich Zwischenziele zu setzen, also beispielsweise die gigantische Distanz von 100 km in überschaubare Etappen zu zerlegen. 

Sich den Moment des Zieldurchlaufes vorzustellen, trieb mich schon beim Maintal Ultra gewaltig an. Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass beide Methoden wirken. Verstärken lässt sich dieser Effekt noch, indem man sich auf die Emotion fokussiert.

Nahezu jeder, der sich länger mit dem eigenen Lauf auseinandersetzt, erkennt erfahrungsbasiert Stärken und Schwächen. Die Stärken sind es natürlich, die man heraufbeschwören sollte. Aber auch mit den eigenen Schwächen kann man gezielt arbeiten. Sich zum Beispiel vorstellen, wie man ganz konstruktiv mit der ein oder anderen negativen Eigenschaft oder Erfahrung umgehen kann, um beispielsweise Durchhänger in dem Wissen zuzulassen, dass man diese Untiefen in der Vergangenheit schon umschifft hat und genau das wieder tun kann.

Hat man erkannt, wie man funktioniert, erkennt man gewisse, negative Verhaltensmuster, etwa gedankliche Spiralen. "Die Vorbereitung lief nicht optimal, das kann nichts werden." Diese Spirale kann man auch stoppen und entgegenhalten, dass die besten Läufe auch stattfanden, wenn man eigentlich gar nicht damit gerechnet hat, gerade dann, wenn die Vorbereitung nicht optimal war.

Dazu passt auch die von Herrn Ufer erwähnte "Anker-Technik". Man solle sich der Situationen entsinnen, in welchem sich die Stärken entfalten können und versuchen, diese Situation entweder herbei zu führen, beispielsweise im Training, oder zu erkennen und zu nutzen, etwa im Wettkampf.

Ein guter Anker stelle auch die Musik dar. Man assoziiert bestimmte Stücke mit positiven (oder auch negativen) (Lauf-)Erlebnissen. Diese Stücke lassen sich in Wettkämpfen in Playlisten einbauen, um sich anzutreiben oder, in meinem Fall, auch zu bremsen.

Das Denken in Metaphern, Gedanken à la "wie eine Maschine" oder "wie der geölte Blitz" helfen tatsächlich dabei, sich auf einen Laufstil zu konzentrieren oder sich zu Höchstleistungen anzutreiben. 

Bei langen Läufen ist man sehr auf sich, seinen Körper und die unmittelbare Umgebung konzentriert. Man kann Selbstgespräche nutzen, um sich suggestiv in eine "Wohlfühlatmosphäre" versetzen. Etwa, indem man den kühlen Wind als erfrischend, angenehm empfindet. Ich habe immer wieder meine Müh' und Not mit der Kühle, auch am Renntag wehte ein eisiger Wind. Dieser Tipp half mir nicht sehr weiter, hat aber bestimmt auch seine Berechtigung. Ich werde versuchen, ihn im Sommer bei Wärme anzuwenden. ;-)

Letztlich führte Michele die Demut als weiteren, wichtigen Faktor ein. Indem er sich als dankbar und privilegiert bezeichnete schlug er einen schönen Bogen zu Florian Reus.

Florian Reus ist Weltmeister im Ultralauf sowie Spartathlon Gewinner von 2015, ursprünglich aus Würzburg. Mit gerade 33 Jahren ist er schon ein Veteran und kann auf ein bewegtes Läuferleben blicken. Er erzählte ausführlich nicht nur von den Erfolgen, sondern ging insbesondere auf die entbehrungsreiche Zeit bis 2015 ein. Bei all dem Geleisteten schwang in seinen Ausführungen immer wieder Demut und Dankbarkeit mit. Ein sehr beeindruckender Charakter.

Nach den Vorträgen ging ich viel zu spät ins Bett. Ich hätte direkt losgewollt, aber es musste sein.

Am nächsten Morgen stand ich früh auf, 4:30 Uhr. Das Angebot bei dem Frühstück im Hotel hätte nicht besser sein können. Ich hatte nicht viel davon, da ich mich an meine gewohnte Wettkampfkost hielt. 

Gegen 5:15 Uhr versammelten wir uns zum Fackellauf, ich suchte die Lobby des Hotels auf, da es mir draußen doch zu kalt war. Die Wege waren wieder sehr kurz. Versammelt wurde unmittelbar vor dem Hotel. Hier traf ich Daniela wieder, die ich am Abend zuvor schon begrüßt hatte.

Mit Fackeln versehen und von mahnenden Worten des Veranstalters begleitet, die schöne Altstadt nicht in ein Feuermeer zu verwandeln, sind wir zum entgegen gesetzten Ende der Altstadt gelaufen. Das war ein wunderbares Erlebnis, einer der schönsten und entspanntesten Seiten des Laufes. Wir wurden von einem Ritter auf seinem Ross in Empfang genommen und beauftragt unsere Depesche in unseren Zielort zu tragen. Ganz schön pathetisch, aber auch nett und außergewöhnlich. Anschließend ging es geordnet einen kurzen Abstieg zur Tauber hinab. Kurzes Meet&Greet, Lauftaktiken mit dem Besenläufer austauschen und dann ging es um 6 Uhr auch schon los. 

Der Abschnitt nach Bad Mergentheim im Taubertal wundervoll. Leider beginnt man, wie so oft, bei Dunkelheit. Ich fühlte mich von einer Fahrradtour im Vorjahr heimisch jedoch waren mir die sanften Anstiege und Gefälle noch schmerzlich in Erinnerung geblieben. Frisch und zu Fuß war das alles gar kein Problem. Die Kälte, die von den Auen hervorkroch konnte ich zu der frühen Stunde noch ertragen, das war alles im Rahmen. Mit der fortschreitenden Dauer des Rennens wurde es für mich schon ein Thema.

Ich hatte mich dazu entschieden, unterwegs fleißig Energie zu mir zu nehmen, dabei auf den Magen zu achten und mein Wohlfühltempo zu laufen. 

Mein Plan ging zunächst voll auf. Ich hatte eine relativ schnelle Pace, wobei ich trotz forciertem Tempo manche Teilnehmer gefühlt drei Mal kassieren musste, weil ich dem guten Kartoffelbrei oder Iskiate, einem Getränk aus in Wasser oder Saft gelösten Chiasamen, an den Versorgungsstationen einfach nicht widerstehen konnte.

Als Highlights auf dem Streckenabschnitt sind mir noch der Lauf quer durchs Schloss Weikersheim und der Kurgarten in Bad Mergentheim in Erinnerung geblieben. Derart beflügelt waren die 50 km in 4:52 h absolviert. So konnte es weitergehen, das 11-h-Zeitziel noch im Blick. 

Kurz nach Kilometer 55 hatte ich auch meine Begleitung auf dem Rad dabei. So wurde es gesellig und das gab mir zusätzlichen Schub. So gegen km 60 kam meine erste mentale Durststrecke. Der Streckenverlauf war von Bad Mergentheim bis Tauberbischofsheim war öde, Wind kam von der Seite auf, ich kühlte aus. Ab km 65 lief es nach einem Versorgungspunkt wieder fantastisch. Das Zwischenziel bei km 71 in Tauberbischofsheim erreichte ich zu Fanfarenklängen bei ca. 7:15 h. Meine Pace hatte sich wieder bei ca. 6:00 min/km eingependelt, das war für mich immer noch hervorragend. Das sollte dann bis ca. km 80 so bleiben. Dann war ich am Ende meiner Kohlenhydrate angelangt und von km 83 an ging es nur noch im Schneckentempo voran. Meine avisierte Zielzeit musste ich damit begraben, aber es kam am Ende immer noch eine ordentliche Zeit von 11:15 h heraus (Messfehler bei km 91!). 46. Platz Gesamtwertung, 6. AK. Mittelfeld also, für den Premieren-100er bin ich voll und ganz zufrieden.

Den Abend verbrachten meine Partnerin und ich beim Ritteressen in der Burg Wertheim. Das ist eine prima Gelegenheit gewesen, sich in netter Gesellschaft über das Erlebte auszutauschen. Dennoch zog es mich am Ende des Tages beizeiten ins Bett. Die Regeneration und damit die Vorbereitung für das nächste Rennen läuft.

Organisatorische Kleinigkeiten machten mir den Rennverlauf etwas madig. Ausbleibende Versorgungspunkte, erstes Dropbag nach ca. 17 km in Creglingen zu früh im Streckenverlauf, keine energiehaltigen Lebensmittel an den Versorgungspunkten. Sonst war es ein tolles Erlebnis mit Erfahrungen, von denen ich noch lange zehren werde. Die nächsten Ultras in den Farben der TGK kommen bestimmt.

http://www.taubertal100.de/