Nairobi Marathon -30.10.2016-

Nairobi - ein Marathon im Land der Weltelite

(Erlebnisbericht von Otmar Witzko)

Nach einjähriger Abstinenz, bedingt durch die ,,Reparatur“ meines mittlerweile auch im linken Knie abgenutzten Knorpels – denke das ist nach ca. 120.000 km in 40 Laufjahren ja normal - und einem fünfwöchigen Abenteuertrip durch Schwarzafrika war jetzt malwieder ein Marathon fällig. Da ich keinen doppelt laufe und der Reiz eines Laufes für mich das Neue, noch besser, das exotische Umfeld ausmacht, sollte es jetzt einer dort sein, wo die weltbesten herkommen: in Kenia.

Nachdem der sicherlich noch reizvollere Marathon zwischen den beiden weltweit bekanntesten Trainingshochburgen Eldoret und lten wegen seines überaus harten Höhenprofils für mich wegen fehlendem Training nicht in Frage kam, entschied ich mich für den Hauptstadtmarathon.

Schnell war der Flug und ein Hotel in Start- und Ziel nähe gebucht und es konnte losgehen. Nach Anreise mit der günstigen und arbeitnehmerfreundlichen, weil zeitsparenden Ethiopian Airlines, Donnerstagabend weg, Freitagmorgen ankommen, blieben ja noch zwei erholsame Nächte. Gerade mal 1 Stunde Zeitverschiebung nach vorne machten das Ganze nochmal angenehmer. Ich entschied mich, nach etwas relaxen gleich die Startnummer abzuholen und war erstaunt, dass es für die umgerechnet 18 € Startgeld nebst kleinen Werbepräsenten sogar ein Funktions-T-Shirt gab! Ein kleiner Rundgang durch diesen auch bei Dunkelheit ungefährlichen Stadtteil mit Dinner (Fischfilet, Reis und Salat für 3,30 €) rundeten diesen Tag ab. Am Samstag erst mal ausschlafen und Besuch eines immer interessanten Marktes. Dabei beließ ich es; schließlich kannte ich die Stadt ja schon von früheren Besuchen. Noch alles herrichten und der Marathontag konnte kommen!

Um 5.30 Uhr riss mich nicht der Wecker sondern das Gelärme der vielen in diesem Hotel übernachtenden Läuferlnnen aus dem Schlaf. Ne Tasse Kaffee mit zwei Honigtoast und ab zum Stadion. Dort wurde mit heißen Rhythmen auf voller Lautstärke bereits kräftig eingeheizt. Eine Tanzgruppe junger aufreizender Mädchen zu den Klängen der Vengaboys tat ihr Übriges. Um Punkt 7.00 Uhr hatte das Scharren der ungeduldig wartenden Laufmeute ein Ende. Der Bürgermeister höchstpersönlich zählte auf 0 herunter und feuerte den Startschuss ab.

Dass hier nicht die allerbesten am Start sind, weil sie natürlich einen zahlungskräftigeren Herbstmarathon wie Chicago, New York oder den am gleichen Tag stattfindenden Frankfurt-Marathon bevorzugen, versteht sich von selbst. Trotzdem zog sich das Feld schnell auseinander. Ich ließ mich entgegen meiner Gewohnheit auf der zunächst leicht abfallenden Strecke gleich zu einem 5:20er Tempo hinreißen, was sich aber später von Vorteil erweisen sollte. Denn die Strecke hatte es in sich. Fünf bis sechs Steigungen, zig scharfe Haarnadelkurven und ein paar Kilometer holprigen Pflasters ließen keinen Gedanken an Bestzeiten aufkommen. Ich ließ keine der anfangs alle fünf, später alle drei km aufgebauten Wasserstellen aus und schnappte mir immer zwei der von vielen Händen gereichten optimalen 300 ml-Wasserflaschen. Eine zum Abkühlen übers Haupt gießen, die andere im Weiterlaufen trinken. Ab und an gemixt mit meinem mitgenommenen Kohlhydratpulver. Denn außer Wasser gibt es - leider - nichts!

Dann bei km 15 schießen plötzlich, wie aus dem Nichts, die nach uns gestarteten 10 km- Läufer vorbei. Nicht so gut, denke ich, werden ja immer wieder ausgebremst! 10 km weiter dann ein imposantes Bild. Auf der anderen abschüssigen Straßenseite kommen uns die ,,Halben" entgegen; fast alle tragen das offizielle Marathonshirt. Ich kämpfe mich weiter.

Bei Kilometer 30 eine irritierende Wegweisung. Wo geht's denn zur zweiten Runde, wo zum Ziel! Ich laufe einen ca.200 m-Umweg um einen Kreisel. Sch... , denke ich und versuche, die zweijungen Burschen wieder einzuholen, die ich vorher schon hinter mir gelassen hatte. Es geht wieder die 6 km lange Gerade mit zwei langen An- und Abstiegen hin und wieder zurück. Jetzt wird's hart! Der Planet brennt vom Himmel. Aus anfangs 18' sind wir mittlerweile bei 25" - 28" werden es später im Ziel sein! Ich habe ein Tief, bleibe zwei Mal am Getränkestand stehen. Rapple mich wieder auf bei dem Gedanken, doch noch ,,unter vier" zu finishen.

Beiße die Zähne zusammen und hole aus meinem Körper raus was geht! Sammle ab dem 37. km viele wieder ein, die mir zwischen km 10 und 20 die Hacken gezeigt haben. Das dabei ausgeschüttete Adrenalin lässt mich die letzten zwei Kilometer richtig ,,spurten"! Zu allem Überfluss ist die Strecke nicht mehr gesperrt und ich muss mir den Weg durch die unzähligen Passanten frei brüllen. Laufe fast zwei Kinder nieder, stolpere über eine Einkaufstasche; beiße die Zähne zusammen und laufe ins Stadion ein.

Applaus !?! Fehlanzeige! Kaum einer nimmt Notiz von mir, als ich Überglücklich in 3:59:47 Std. die Ziellinie überquere. Schnell noch ein Zielfoto, die obligatorische Medaille umgehängt und zurück ins Hotel. Den restlichen Tag ist Relaxing im Hotel angesagt, bevor ich dann am Montag für ein paar Tage den Victoriasee erkunde und den 1O-Tagestrip mit vier Tagen Sonne, Strand und Meer nahe Mombasa ausklingen lasse.

Bleibt noch zu sagen, dass ich von den gerade mal 401 Finishern (darunter nur 12 Ausländer, zwei weitere Deutsche) den 231. Rang belege und dass auf dieser Strecke unter diesen Bedingungen auch ein Dennis Kimetto allenfalls eine 2.08/2:09 laufen würde. Wie stark selbst die zweite und dritte Garde der Kenianer ist, zeigen die ersten 29 Zielzeilen zwischen 2:13 (Sieger) bis 2:20 Std. und von 71 unter 2:30h.

Den ,,Halben" finishten sage und schreibe 4.954 und am Zehner nahmen 4.036 teil.