Rom-Marathon -10.04.2016-

Zwischen Traum und Wunsch

Bevor ich auf das Marathon-Rennen in Rom eingehe, möchte ich hier ein wenig ausholen, denn der Weg nach Rom war ein eher steiniger. Aber wie heißt es so schön. Alle Wege führen nach Rom, so denn auch für mich, wenn auch auf einigen Umwegen. Letztes Jahr sollte es schon ein Marathon in Rom sein. Der kam aufgrund diverser Gründe nicht zustande, dafür hatte ich in Hamburg trotz der Probleme in der Vorbereitung eine unerwartete Bestzeit gelaufen.

Dieses Jahr lief dafür alles nach Plan in der Vorbereitung. Ich war gut drauf, doch noch Anfang März war immer noch nicht klar, dass ich in Rom würde starten können. Denn die Italiener bzw. die Organisation des Marathons müssten noch ein wenig am Anmeldeprozess arbeiten. Eine erste Anmeldung Ende Januar wurde kurzerhand abgelehnt und auch die zweite Anmeldung Anfang/ Mitte März war gar nicht so einfach durchzubekommen. Vorsichtshalber bezahlte ich mit Kreditkarte und holte mir über Hartmut, vielen Dank dir für das Besorgen, eine Bestätigung vom BLV, die die Italiener unbedingt haben wollten. So stand es dann Mitte März fest, dass ich einen Startplatz habe. Eine erste Hürde war genommen. Gar nicht auszudenken, nach all den Anstrengungen der Vorbereitung beim Saisonhöhepunkt nicht starten zu können.

Und dann kam der Abflugstag, der Freitag und um 22 Uhr war ich in Rom und stand vor verschlossener Tür meiner Unterkunft. Auch Anrufe bei der Gastgeberin vermochten nicht die Türe zu öffnen, weshalb ich mir für die Nacht eine Alternativunterkunft suchen musste. Nach einer unruhigen Nacht checkte ich am nächsten Tag bei meiner gebuchten Unterkunft ein und holte mir dann meine Startnummer ab. Somit war auch diese kleine Hürde genommen und ich konnte mich ganz dem Sightseeing widmen. Ich weiß nicht, wie viele Kilometer ich an diesem Tag gelaufen bin, aber diese reichten, dass ich ziemlich kaputt nach 22 Uhr im Bett war. Nach einer weiteren unruhigen Nacht der große Tag. Alle Vorbereitungen waren getan, es war angerichtet.

Auf dem Weg zum Start schloss ich mich einer Gruppe aus Polen an, die sich über ein Läufer-Forum im Internet kennengelernt haben und sich hier in Rom zum Marathon verabredeten. In Rom lernten sie sich das erste Mal von Angesicht zu Angesicht kennen. Die Gruppe unterschiedlicher kaum sein. Da war der eher ruhige Marathon-Rookie, die sichtlich aufgeregte Zweittäterin, die dank ihrer quirligen, hippeligen Art eine gewisse Art von Nervosität damit zeigte.

Und dann war es da. Das Kolosseum, in dessen Nähe der Start sein sollte. Ich war gar nicht nervös, auch mit dem Wissen, dass ich auf den Punkt fit war. In mich ruhend schloss ich meine Vorbereitungen ab: Starterbeutel abgeben, kurz einlaufen und dann in den Startblock gehen. Ich  war im zweiten Startblock recht weit hinten, was vielleicht nicht ganz ideal war für meine Ambitionen. Mein Ziele waren insgeheim für mich klar formuliert und trotz einiger Einwände, dass die Strecke dank des Kopfsteinpflasters nicht einfach sei und Rom nicht unbedingt eine Bestzeitstrecke ist, waren zwar nachvollziehbare Gründe Zweifel bezüglich meiner Ziele zu haben, aber die Vorbereitung gab mir die nötige Zuversicht, den Zielen nachzujagen.

Traumergebnis:               2:38:00

Wunschergebnis:            2:40:00

Minimalziel:                       2:45:00

Inmitten einer traumhaften Kulisse mit Kolosseum, Konstantinsbogen, Forum Romanum, Kaiserforen und dem Nationaldenkmal schmetterten die Italiener ihre Nationalhymne und ich konnte es kaum erwarten, dass es endlich losging. Und dann ging es auch endlich los. Auf den ersten Metern ging es erst einmal leicht bergab am Nationaldenkmal und dem Marcellustheater vorbei in Richtung Circus Maximus. Hier zeigte sich bereits der Nachteil etwas weit hinten gestanden zu sein. Slalomlaufen war angesagt. Doch schnell zog sich das Feld etwas in die Länge und nach rund einem Kilometer konnte ich meine Ideallinie laufen. Leider fand ich keinen, der mein Tempo lief oder laufen wollte. Die schnelleren waren alle bereits etwas weiter vorne gestartet. So hieß es für mich von Gruppe zu Gruppe zu laufen und mich so immer weiter nach vorne zu arbeiten. Bereits hier hatte ich das Gefühl, dass es heute etwas werden könnte. Das Laufen ging ganz locker und im Hinterkopf hatte ich am Anfang nicht zu überziehen. Bei Kilometer 6 stand mit der Anfangskulisse das nächste Highlight an, die Basilika San Paolo fuori de mura, einer der vier Pabstbasiliken in Rom. Die nächsten 6 bis 7 Kilometern gingen dann durch eher öde Wohn- bzw. Industriegegenden bis wir zurück im Zentrum Roms waren. Es ging nun für rund 3 Kilometer am Tiber entlang. Hier war einiges an Publikum und hier hatte ich eine kleine Gruppe gefunden. Ein kleines Schwätzchen mit einem Amerikaner, der das gleiche Ziel hatte wie ich und immerhin Sulzbach-Rosenberg und Grafenwöhr kannte, dann lief ich längere Zeit mit einem Tschechen, der in London lebte. Nach Kilometer 17 bog wir gemeinsam auf die kerzengerade Straße, die zum Peterplatz und –dom führte. Ein erhabener Moment als ich zum ersten Mal hautnah diese Kulisse in den Blick bekam. Es fühlte sich alles so entspannt und locker an. Doch im Hinterkopf hatte ich immer wieder den Gedanken sich nicht zu sehr dem Flow hinzugeben und damit zu überziehen.

Die Kilometer bis zur Halbmarathonmarke verflogen dank des Publikums und der Streckenführung ganz schnell. Und der Blick auf die Uhr bestätigte, dass ich genau im Plan war. Nicht zu schnell und nicht zu langsam war der Halbmarathon zurückgelegt. Und hier gab ich mich erstmals dem Flow hin. Meine Begleiter ließ ich hinter mehr und machte mich alleine auf die Socken, denn vor mir sah ich eine Gruppe, in der ich auf den nächsten 9 Kilometern nicht rankommen sollte, die mir aber einen Bezugspunkt gab. Entlang des Tibers ging es bei recht starkem Wind dahin. Ein eher öder Streckenabschnitt. Kilometer für Kilometer ging vorbei, doch dank weniger Zuschauer und weniger Streckenhighlights habe ich dieses Stück nicht in bester Erinnerung. Bei Kilometer 28 dann ein richtig böses Bergaufstück und immer noch gut 100 m weg die Gruppe, die ich jetzt bereits über Kilometer jagte, aber nicht näher kam. Wie schön wäre es gewesen, ab dem Halbmarathon in dieser laufen zu können, sich vor dem Wind zu verstecken und damit das eine oder andere Korn sparen zu können. Bei Kilometer 30 heißt es ja, dass ein Marathon erst richtig beginnt. Und so stellte sich bei mir auch langsam das Gefühl ein, dass es jetzt nicht mehr so einfach geht, wie am Anfang. Bei Kilometer 32 war ich immer noch voll im Plan und so langsam begannen im Kopf die Rechenspiele. Welche Geschwindigkeit müsste ich noch laufen, um auf eine Endzeit von 2:40:00 zu laufen. Das Ergebnis von 15 km/h ließ den Zweifel in mir größer werden, denn die Beine machten sich langsam bemerkbar. Es war Zeit für das erste Gel, um dem Körper ein paar Kohlenhydrate zum Verbrennen zu geben und vor allem dem Kopf Nahrung zu geben. Eine erste kleine Krise konnte ich damit überwinden. Was auch half war, dass ich nun endlich auf die Gruppe auflief bzw. auf einzelne Läufer, die so langsam Besuch vom Mann mit dem Hammer bekamen. Immer wieder sammelte ich einzelne ein. Bei Kilometer 35 ging es für mich nicht nur sprichwörtlich durch den Tunnel. Hier war die erste kleine Krise vorbei, denn immer mehr Zuschauer waren hier wieder am Streckenabschnitt und die Strecke führte uns langsam in Richtung Piazza Navona. Das Gel, wahrscheinlich aber eher die Zuschauer mit ihren Anfeuerungsrufen, hatte meinen Kopf soweit wiederbelebt, so dass ich an diesem Tag erstmals den Zustand des Runners High erleben konnte.  Die anfeuernden Leute trieben Glückshormone in den Körper, die mich vorantrieben und die relativ schweren Beine vergessen ließen. Es war jetzt einfach nur Flow pur. 1,5 Kilometer ging es durch eine eher schmale Gasse in Richtung Piazza del Popolo an tausenden von jubelnden Zuschauern vorbei. Hier und da einem Kind die Hand abgeklatscht ging es durch das enge Spalier. Angespornt gab ich im Prinzip alles. Hier war ich mir sicher, dass heute nicht mehr viel passieren würde.

Bei Kilometer 39 war dann die Piazza del Popolo erreicht und das zweite Gel musste dran glauben. Die nächste Gerade, vorbei an der Spanischen Treppe führte mich direkt zu Kilometer 40. Hier bekam ich leider die Rechnung meines zuvor ungezügelten Tempos und die Gewissheit, dass man sich in einem Marathon nie sicher sein kann, doch noch ein wenig einzubrechen. Die Beine wurden jetzt langsam schwerer und der Blick ging langsam nach unten, nachdem es in einen weiteren Tunnel ging. Mit der Gewissheit die 2:40:00 eigentlich nicht mehr verfehlen zu können, ließ ich es gefühlt etwas langsamer angehen. Und dann überholte mich ein Läufer. Die Initialzündung für mich sich nochmals zusammenzureißen. Wir liefen zusammen auf einen weiteren Läufer auf und dann ging es nochmals einige hundert Meter bergab, im Prinzip mein Terrain. Mit „Vollgas“ ging es auf die Piazza Venezia und die zwei hinter mir gelassenen Läufer überholten mich hier wieder, was mir egal war. Mit der Gewissheit auch unter 2:39:00 zu bleiben, wollte ich nur noch genießen und nicht mehr jede einzelne Sekunde herauszuquetschen. Und dann war es geschafft. Die Gedanken an die lange Vorbereitung gingen mir durch den Kopf. All die Strapazen haben sich für diese Momente hier in Rom gelohnt. Voller Adrenalin ging es über die Ziellinie, danach obligatorische Medaillenübergabe und Bild mit den Legionären. Es war geschafft. Und ich war hochzufrieden, denn ich war genau zwischen Traum- und Wunschergebnis angekommen. Ein wenig störte mich, dass die Strecke wohl rund 300 m länger war als die 42,195 km und ich wohl den Traum bei genauer Länge sogar noch erreicht hätte. So war es „nur“ ein Wunsch(ergebnis).

Tobias Schneider

Anmerkung der Redaktion: 02:38:38h Bestzeit von Tobias und zweitbester Deutscher

Die Ergebnisse---> http://www.maratonadiroma.it/?p=classifica&lang=en