Vier Leichtathleten des TSV Iphofen und TV Etwashausen bestritten den nicht alltäglichen Kristallmarathon in Merkers/Thüringen. Unter ihnen auch Trainer Ralph Th. Müller, von dem nachfolgender Erlebnisbericht stammt.
Angst? Nein, aber als sich die Aufzugstüren schließen und wir in atemberaubenden Tempo nach unten rasen, bekomme ich doch ein leicht flaues Gefühl in der Magengegend. Ich zähle mit, und nach etwa 60 Sekunden stoppt der massive Stahlkasten. Weiter geht es zu Fuß durch Sicherheitsschleusen. Die seien wichtig, erklärt uns der Bergwerker in seiner schneeweißen Kluft, weil sich sonst aus dem Erdinneren austretende Gase ungehindert ausbreiten könnten.
Wir werden auf offene Transporter verfrachtet. „Nicht die Hände nach oben, nicht während der Fahrt aufstehen“, schärft man uns ein. Schließlich sei die Grubendecke nur etwa 1,50 Meter über uns. Die Händchen oder – schlimmer noch – das Köpfchen könnten da schnell abhanden kommen. Die Fahrt zur Wettkampf-Strecke entpuppt sich als eine Achterbahnfahrt in eine dunkle, stille und sehr enge Welt aus Stollen, Steigungen und Salzadern. Bei der Ankunft öffnet sich ein weiter, hoher Dom. Der Rest ist Routine.
Umziehen, Warmlaufen, Stretching. Dann der Start und ein Lauf, den wir so schnell nicht mehr vergessen werden. Links und rechts zwei Meter Platz, über uns die Decke in etwa drei Meter Höhe und darüber Millionen Tonnen massiver Fels und Salzgestein. Das Läuferfeld zerstreut sich schnell und zieht sich wie ein Kaugummi auseinander. Die Luft ist trocken, teilweise staubig. Es herrscht eine Temperatur von immerhin 21 Grad konstant. Ich spüre die Wucht des Berges um mich herum. Maximilian Fleischmann (TSV Iphofen) und Simon Weber (TV Etwashausen) sind schon weg. Michelle Paul (TSV Iphofen) fällt zurück.
Ich bin allein und renne in die spärlich von kaltem Neonlicht beleuchtete Düsternis hinein. Die Stille ist allumfassend, mein konditioneller Zustand nach einer Runde von ständigem auf und ab bereits am Limit. Die Dehydrierung in der salzionengeschwängerten Luft ist bemerkenswert. Ich schalte einen Gang zurück, werde sofort bestraft und von vier Läufern überholt. Der Boden unter mir schimmert teilweise weiß wie Eis auf einem zugefrorenen See. Aber nein, Glatteis wird es hier wohl nie geben. Die dritte und letzte Runde. Ich ignoriere Seitenstechen, Atemnot und den staubtrockenen Gaumen und fange an zu rennen, überhole noch drei Läufer und sprinte ins Ziel.
Irgendjemand drückt mir einen Zettel in die Hand und hängt mir eine Medaille um den Hals. Geschafft – in jeder Hinsicht. Die Zeit von 44:08 Minuten ist in Ordnung. Sie bedeutet Platz sechs bei den Männern 45. Und die anderen? Maximilian (41:06) und Michelle (50:28) gewinnen ihre Altersklasse in Top-Zeiten. Simon (41:01) wird Sechster bei den Männern und insgesamt 14. von 125 Startern.
Einen Erfolg, ein Erlebnis und eine Erfahrung aber nehmen wir alle mit: Nichts ist so schön wie die Strahlen der Sonne, die nach dem Öffnen der Aufzugstüren weich und warm durch die Fenster hereinscheinen.