Irontrail T201 Davos -05.08. - 07.08.2016-

Irontrail part two

Bericht von Sebastian Apfelbacher

Irontrail 2016 - beyond the Limit! - Teil 2

Bei km 38 in Bergün angekommen nahm ich mir kurz Zeit, etwas Brot und Käse zu essen, sowie ein 1. Gel aufzunehmen. Hier lag ich lt. Zeiterfassung an Position 6. Die nachfolgenden 11 km führten mich stetig ansteigend auf den Fuorcla Crap Alv (2461 m). Doch schon bei km 41 hätte durch eine kleine Unachtsamkeit alles vorbei sein können: Mein linker Stock prallte auf dem schmalen Pfad gegen einen größeren Felsen, schlug zurück zwischen meine beiden Beine und schwups, lag ich auch schon der gesamten Länge nach auf dem schroffen Untergrund. Kurzer Check - Hände matschig aber unversehrt, leicht geprellte Hüfte, angeschlagenes Knie mit Loch in der Regenhose und mächtig Schmerzen an der linken Knöchel-Aussenseite. Hier bin ich direkt auf einen Stein gestürzt, der dort angebrachte Zeitmesschip verstärkte noch den Aufprall. Ich versuchte erst mal langsam wieder ins Laufen zu kommen - doch der schmerzende Knöchel lies mich nicht mehr so recht in den Tritt kommen.

Während ich so vor mich dahin humpelte, kam Andrea Huser stetig von Hinten aufgeschlossen, Wir unterhielten uns kurz, ich versuchte erst einmal an ihr dran zubleiben, um etwas Ablenkung zu haben und nicht zu sehr an meinen Sturz und die Schmerzen zu denken - doch nach gut 5 km wurde die Strecke wieder steiler und technischer und ich hatte keine Chance mehr. Der sichere Tritt war durch die immer dicker werdende Schwellung am Knöchel dahin. Schnell war nun für mich klar, dass es das wohl für mich war, mit dem Traum vom Finish nach 201 km. Wie sollte ich mit einem dicken Knöchel weitere 150 km durch teils hochalpines Gelände über Geröll und kaum laufbare Pfade bis Davos kommen? So fand ich mich, unterstützt vom nach wie vor anhaltenden kräftigen Regen, damit ab und wollte nur noch bis km 60 nach Samedan kommen.


Dort lag mein erster Dropbag, es gab Sanität und eine Ruhemöglichkeit. Ich nahm mir einen Teller Pasta, Kuchen, Kaffee und etwas gesalzene Erdnüsse. Ich grübelte, was ich nun tun soll - der Knöchel pochte und war schon deutlich angeschwollen, ab ich lag ja eigentlich gut im Rennen. Also auf! Noch kurze Ausrüstungskontrolle durch den Veranstalter, die Goretex-Jacke gegen eine trockene gewechselt und weiter ging`s in Richtung nächstem Berg.

Auf schmalen Trails schlängelte sich mein Weg auf den folgenden 4 km gut 750 hm nach oben zum Muottas Muragl (2454 m) und weiter zum Chamanna Segantini (2731 m). Auf diesen beiden Gipfel waren bereits der Regen in Schnee übergegangen - beim Blick in Richtung Westen konnte ich St. Moritz samt dem See dennoch gut erkennen. Der Downhill nach Pontresina über 5 km mit - 926 hm war steil und kräfteraubend. Aber ich hatte den nächsten Teilabschnitt besser als erhofft, gemeister.

Nach knapp 10 minütiger Verpflegung ging es für mich weiter Richtung nächstem Gipfel - Fuorcla Surlej (2755 m) und Berg-Station Murtel (2702 m). Nach wie vor war ich alleine unterwegs, andere Läufer zwar in weiter Entfernung sichtbar, doch richtig näher kam keiner. Endlich hattte gegen 17 Uhr der Regen aufgehört und die Berge öffneten sich mit einer tollen Aussicht auf die tief im Tal liegenden Dörfer und Seen, u.a. Sils u. Silvaplana im Engadin und dem riesigen Silser See, entlang dessen Höhenzug mich der Weg bis nach Maloja führte. Km 101 war geschafft und ich gönnte mir eine länger Verpflegungspause. Währenddessen trudelten nach und nach 6 weitere Hartgesottene ein. Wir diskutierten etwas, ob es nicht Sinn macht, vor dem nächsten, steilen Anstieg hinauf zum Lunghinpass etwa zu Schlafen und neue Kräfte zu sammeln. Denn es war mittlerweile 21 Uhr durch, wir somit über 17 h unterwegs und die Nacht bereits hereingebrochen. Aber ich war mir unsicher, wie es meiner Muskulatur und speziell dem Knöchel nach einer längeren Ruhephase ergehen würde - ich hatte bedenken, gar nicht mehr in den Tritt zu kommen. Also entschied ich mich nach gut 40 Minuten Pause zusammen mit Denise Zimmermann und Jonas Russi durch die Nacht zu laufen.

Steil führte uns die Strecke von Maloja zum Lunghinpass und weiter zum Septimerpass, während die Bedingungen immer garstiger wurden: der wieder einsetzende Regen ging durch den kräftigen und eisig-durchdringenden Wind schnell in Schnee über. Ab 2300 m hatten wir eine geschlossene Schneedecke von gut 10 cm zu durchstapfen. Nebel tat zur beinahen Orientierungslosgkeit sein Übriges dazu. Zum Glück wurden an besonders schwierigen Stellen die üblichen reflektierenden Flatterbände durch (Stirn-)Lampen ergänzt. Toll auch, dass sich Denise von den Jahren vorher so gut auskannte. Dennoch wollten die 14 km über die Pässe bis zum VP nach Bivio schier nicht enden, so unwirtlich waren die Umstände. 20 Minuten Bouillon- und Pastastop und weiter in die Nacht. Mein Lauf mit dem immer dicker anschwellenden Knöchel, die verregnete, eisig-kalte Nacht, Probleme mit den Batterien meiner Stirnlampe und einen doch nun massiv zuschlagende Müdigkeit sowie die kaum gehbaren und völlig aufgeweichten Trails und Wegstücke dehnten die nachfolgenden 22 km mit stetem Auf du Ab ins schier Unendliche. So waren wir für die 36 km bis zum nächsten Dropstop in Savognin genau 8,5 h unterwegs.


Die Zeit zwischen 3 und 5 Uhr war hart für mich, ich fühlte mich irgendwie abgebrannt und verbraucht - die Konzentration lies nach und die Trittsicherheit war durch den dicken Knöchel nicht mehr geben - bei fast jedem 2 Schritt knickte ich in irgendeine Wasserloch, eine Vertiefung oder stolperte über einen größeren Stein.


Daher entschloss ich mich, um kurz vor 6 Uhr beim nächsten Dropbagstop in Savognin (km 136), Denise und Jonas ziehen zu lassen. Ich lies mir bei der Sanität den Knöchel prüfen. Dieser war mittlerweile aussen so dick wie eine 1/2 Orange angeschwollen. Ein abschwellenden Druckverband, Eispack und hochgelegte Beine sowie etwas Ruhe sollten mir ein weiterlaufen ermöglichen, so mein Plan. Daher wollte ich mich für max. 30 Minuten ins Bettenlager legen ...

Berge, überall!